Europa im Überblick, 32/2024

EiÜ 32/24

Anwaltliches Berufsgeheimnis bekräftigt – EuGH

Das anwaltliche Berufs­ge­heimnis gilt unabhängig vom Rechtsgebiet und umfasst auch die gesell­schafts­rechtliche Beratung. So urteilte der EuGH am 26. September 2024 in der Rs. C-432/23 (bisher nur in französischer Sprache verfügbar) in einem Fall betreffend die sogenannte DAC-Richtlinie 2011/16/EU zum steuerrechtlichen Informationsaustausch. Im zugrundeliegenden Fall hatte die zuständige Luxemburgische Steuerbehörde ein Auskunftsersuchen an eine Anwaltskanzlei gerichtet und sämtliche Unterlagen betreffend die gesellschaftsrechtliche Beratung eines spanischen Unternehmens angefordert – ein Verstoß gegen Art. 7 Grundrechtecharta. Anders als der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 68/2023 kommt der EuGH zwar leider nicht zu dem Schluss, dass die DAC-Richtlinie aufgrund fehlenden zwingenden Berufsgeheimnisträgerschutzes nichtig ist. Die Anweisung an den Rechtsanwalt, die auf eine nationale Regelung gestützt ist, nach der die Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt in Steuersachen außer bei Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Mandanten nicht unter den durch Art. 7 gewährleisteten Berufsgeheimnisschutz fällt, verstößt jedoch laut EuGH gegen Art. 7 und Art. 52 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta.

Konsultation zu Europäischer Staatsanwaltschaft gestartet – KOM

Die Europäische Kommission hat eine einmonatige Konsultation der Interessenträger über die Arbeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) gestartet. Die Behörde hatte 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Die Konsultation soll insbesondere dazu dienen, die Umsetzung der Verordnung 2017/1939 zur Errichtung der EUStA (deren Artikel 119 die Erstellung eines Berichts bis Juni 2026 vorsieht) und die Effektivität der Arbeit der Behörde zu untersuchen. Konkret sollen Regeln zur Zuständigkeit der Behörde, die geltenden Verfahrensvorschriften für die Ermittlungen der EUStA, die Ermittlungsmaßnahmen, die Effizienz des derzeitigen Systems der Beschlagnahme und Einziehung und schließlich auch das allgemeine Gleichgewicht zwischen europäischem Recht und nationalem Recht in Verfahren der EUStA unter die Lupe genommen werden. Die Frist für die Beteiligung an der Konsultation ist bereits der 24. Oktober 2024. In einem zweiten Teil wird die Kommission eine Studie in Auftrag geben, welche auf Interviews mit Interessenträgern, darunter Rechtsanwälte und ihre Verbände und Kammern, und der EuStA selbst aufbauen wird.

Vorstellung der Nominierten für den Sacharow-Preis – EP

Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit ist die höchste Auszeichnung der EU für Bemühungen im Bereich der Menschenrechte. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, der Entwicklungsausschuss und der Unterausschuss für Menschenrechte haben ihre Nominierungsliste für die diesjährige Ausgabe veröffentlicht. Nominiert sind María Corina Machado, als durch das venezolanische Regime ausgeschlossene Präsidentschaftskandidatin der demokratischen Opposition zusammen mit Edmundo González Urrutia, venezolanischer Politiker und Diplomat, der schließlich der Oppositionskandidat wurde (beide vorgeschlagen durch die EVP; -die ECR-Fraktion schlägt nur Edmundo Gonzalez Urrutia vor), die Gruppen Women Wage Peace und Women of the Sun, gemeinsame Friedensbewegungen israelischer und palästinensischer Frauen (vorgeschlagen durch Renew Europe und die Gruppe der Sozialdemokraten und Sozialisten, Letztere unter Hervorhebung der Gründer Yael Admi und Reem Hajajreh); Dr. Gubad Ibadoghlu, aserbaidschanischer Anti-Korruptions-Aktivist, (vorgeschlagen durch Grüne/EFA), Journalists in Palestine, Hamza & Wael Al-Dahdouh, Plestia Alaqad, Shireen Abu Akleh und Ain Media, stellvertretend für alle Journalisten in Palästina (vorgeschlagen durch die Fraktion The Left) sowie Elon Musk US-amerikanischer Unternehmer, (vorgeschlagen durch die Gruppen Patriots for Europe und Europe of Sovereign Nations). Am 17. Oktober 2024 werden sich die Ausschüsse auf eine engere Auswahlliste einigen, und am 24. Oktober werden die endgültigen Preisträger:innen von der Konferenz der Präsidenten bestimmt.

Maßnahmen zur Erleichterung der alternativen Streitbeilegung (AS) – Rat

Der Rat hat am 25. September 2024 seinen Standpunkt zu einem Maßnahmenpaket zur Erleichterung von Verfahren der alternativen Streitbeilegung (s. bereits EiÜ 35/2023) festgelegt. Er steht dem verfolgten Ziel grundsätzlich positiv gegenüber, möchte aber den Aufwand für alle beteiligten Akteure verringern. Das Mandat des Rates beschränkt den sachlichen Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie 2013/11/EU abweichend vom Kommissionsvorschlag auf vertragliche Streitigkeiten. Dabei sollen vertragliche Streitigkeiten in zeitlicher Hinsicht jedoch auch die Phasen vor Vertragsschluss und nach Vertragsende erfassen. In räumlich-persönlicher Hinsicht bleibt es den Mitgliedsstaaten überlassen, über die Anwendung von AS-Verfahren auf Streitigkeiten mit Händlern aus Drittstaaten zu entscheiden. Zudem soll die Antwortfrist für Händler durch die AS-Stellen bei komplexen Streitigkeiten oder außergewöhnlichen Umständen von 20 auf 40 Arbeitstage verlängert werden können. Im Rahmen der Verordnung zur Einstellung der OS-Plattform wird der Kommission eine Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten gesetzt, um das digitale interaktive Instrument zu entwickeln, das die Europäische Plattform für Online-Streitbeilegung ersetzen soll. Das EU-Parlament hat seine Position im März diesen Jahres angenommen und will über den Kommissionsvorschlag hinausgehen und etwa auch Fluggesellschaften zur Teilnahme verpflichten. Der Rat wird nun in Verhandlungen mit dem EU-Parlament treten.

DSGVO-Verstoß und Abhilfemaßnahmen der Aufsichtsbehörden – EuGH

Datenschutzaufsichtsbehörden sind bei Feststellung eines Verstoßes gegen die DSGVO nicht stets verpflichtet, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (PM). Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 26. September 2024 im Vorabentscheidungsverfahren C-768/21. Im konkreten Fall (vgl. bereits EiÜ 14/24) hatte eine Sparkassenmitarbeiterin unbefugt auf personenbezogene Kundendaten zugegriffen. Eine Mitteilung an den Kunden über die Verstoße blieb nach Entscheidung des Datenschutzbeauftragten aus, der das Risiko als gering einstufte, da die Mitarbeiterin die Daten weder gespeichert noch an Dritte weitergereicht hatte. Disziplinarmaßnahmen gegen die Mitarbeiterin wurden ergriffen. Der betroffene Kunde erhob Klage und beantragte, den Landesdatenschutzbeauftragten zum Einschreiten zu verpflichten sowie eine Geldstrafe gegen die Sparkasse zu verhängen. Der EuGH erklärte, Aufsichtsbehörden stehe bei der Wahl der Abhilfemaßnahmen ein Ermessensspielraum zu, begrenzt nur durch das Erfordernis, ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau personenbezogener Daten zu gewährleisten. Von Abhilfemaßnahmen könne jedenfalls abgesehen werden, wenn diese nicht erforderlich seien, um der festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen und die umfassende Einhaltung der DSGVO zu gewährleisten. Jedenfalls aber dann, wenn der Verantwortliche bereits von sich aus die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe. Ob der Ermessensspielraum fehlerfrei ausgeübt wurde, wird nun das VG Wiesbaden zu entscheiden haben.

Künftig weniger „Preis-Highlights“? Werbung mit Preisreduzierungen – EuGH

Der EuGH hat sich am 26. September 2024 mit seinem Urteil zur Werbung mit Preisreduzierungen verbraucherschutzfreundlich geäußert (Rs. C-330/23). Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte vor dem LG Düsseldorf beanstandet, dass Aldi Süd mit prozentualen Preisreduzierungen wirbt, obwohl sich diese nicht auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen. Zudem würde mit Preisreduzierungen als „Preis-Highlight“ unter Angabe eines früheren Preises geworben, obwohl der als „Preis-Highlight“ bezeichnete Preis höher sei als der niedrigste Preis der letzten 30 Tage. Das mit dem Ausgangsverfahren befasste LG Düsseldorf wandte sich deshalb mit einer Vorlagefrage zurRichtlinie 98/6/EG (PreisangabenRL) an den EuGH. Dieser stellte klar: Bewirbt ein Händler ein Produkt mit einer Preisermäßigung in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, die die Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorheben soll (hier: „Preis-Highlight“), muss sich der Rabatt auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen. Insbesondere reicht es für das Verbraucherschutzniveau der Preisangaben-RL nicht es aus, den günstigsten Preis der vergangenen 30 Tage bei der Werbung für ein Produkt anzugeben, den Rabatt aber nicht darauf zu beziehen. Das LG Düsseldorf muss den Fall nun nach den Vorgaben des EuGH entscheiden.

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