Europa im Überblick, 33/16

PREISBINDUNG BEI ARZNEIMITTELN VERSTÖßt gegen eu-recht – EUGH

Der Europäische Gerichtshof hat am 19. Oktober 2016 in der Rs. 148/15 („Doc Morris III“, s. zu den Schlussanträgen EiÜ 21/16) entschieden, dass § 78 Arzneimittelgesetz (AMG), der einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorsieht, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und 36 AEUV darstellt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die „Deutsche Parkinson Vereinigung“ mit der niederländischen Versandapotheke „DocMorris“ ein Bonussystem ausgehandelt, das ihre Mitglieder in Anspruch nehmen können, wenn sie bei dieser Apotheke verschreibungspflichtige Medikamente kaufen (s. OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 149/13). Der EuGH ist der Auffassung, dass der Versandhandel für ausländische Apotheken das faktisch einzige Mittel darstelle, um Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Der Preiswettbewerb stelle für jene ausländischen Apotheken einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar, da die traditionellen Apotheken individuelle Beratung vor Ort und Notfallversorgung betreiben können. Zudem hätten die deutschen Behörden nicht nachgewiesen, dass die Festlegung einheitlicher Preise tatsächlich zu einer besseren geografischen Verteilung der Präsenzapotheken nach dem tatsächlichen Verbraucherbedarf führen würde. Zudem könne ein Preiswettbewerb bei Arzneimitteln auch dem Verbraucher zugutekommen, da dieser die Arzneimittel gegebenenfalls günstiger erwerben können.

RULE OF LAW INDEX 2016: DEUTSCHLAND AUF PLATZ 6 VON 113 LÄNDERN – WJP

Am 20. Oktober 2016 hat das World Justice Project zum nunmehr sechsten Mal den Rule of Law Index (Rechtsstaatlichkeitsindex) vorgestellt (Länderinformationen zu Deutschland auf S. 77). Weltweit wurden in 113 Ländern über 100000 Haushalte und Experten über ihre Wahrnehmung der nationalen Rechtsstaatlichkeit befragt. Die gestellten Fragen bezogen sich auf 44 Indikatoren aus Themenbereichen wie Zivil- und Strafjustiz, Korruptionsbekämpfung, Grundrechte, Ordnung und Sicherheit und „Open Government“ (s. zum Vorjahr EiÜ 21/15). In der Gesamtrangliste hat Deutschland sich gegenüber 2015 um zwei Plätze auf Platz 6 verbessert. In den Top Ten sind acht europäische, davon 7 EU-Staaten vertreten. Schlusslicht unter den EU-Mitgliedstaaten ist wie im letzten Jahr Bulgarien auf Platz 53. Weitere Absteiger unter den EU-Mitgliedern sind Frankreich und Ungarn, die je drei Plätze verloren haben (auf Platz 21 und 49). Die Korrelation zwischen Durchschnittseinkommen und Rechtsstaatlichkeit ist ungebrochen hoch. Deutschland nimmt in der Gruppe der 36 Staaten mit hohem Einkommen Platz sechs ein, den letzten Platz belegt dort Ungarn mit Platz 49. Im Ranking für Deutschland sind die Ziviljustiz, die Abwesenheit von Korruption in Justiz und Polizei und die Versammlungsfreiheit besonders hoch bewertet. Weniger gut werden in Deutschland u.a. im Bereich der Strafjustiz die Verfahrensdauer, die Wirksamkeit der Ermittlungen und die Diskriminierungsfreiheit  sowie im Bereich Ordnung und Sicherheit die Abwesenheit von Polizeigewalt bewertet.

DYNAMISCHE IP ADRESSEN SIND PERSONENBEZOGENE DATEN – EUGH

IP-Adressen sind grundsätzlich personenbezogene Daten i.S.d. Art. 2 lit. a der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, wenn der Betreiber der Website die rechtliche Möglichkeit hat, den konkreten Nutzer ausfindig zu machen – selbst wenn diese dynamisch und somit nicht fest Personen zugeordnet sind. Das urteilte der EuGH am 19. Oktober in der Rs. Patrick Breyer/BRD (C-582/14, zu den Schlussanträgen s. bereits EiÜ 17/16). Der Vorlage lag eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, in der sich der Kläger Patrick Breyer gegen die Speicherung von IP-Adressen durch deutsche Bundesministerien wandte. Dabei berief der Kläger sich insb. auf § 15 Telemediengesetz, nach dem personenbezogene Daten grundsätzlich nur während der laufenden Verbindung gespeichert werden dürfen, nicht danach - es sei denn, sie werden im Anschluss noch zur Abrechnung benötigt. Der BGH legte dem EuGH die Frage vor, ob unter diese personenbezogenen Daten auch IP Adressen fielen. Ja, so der EuGH. Und dennoch: Die Speicherung sei unter Umständen gleichwohl nach der Datenschutzrichtlinie zulässig, wenn der Seitenbetreiber ein berechtigtes Interesse an den Daten habe. Das deutsche Gesetz schränke dies zu sehr ein, wenn es die Speicherung von "personenbezogenen Daten" nur während der Internetverbindung oder zur Abrechnung zulasse. Es müsse vielmehr zwischen dem berechtigten Interesse der Webseitenbetreiber und den Grundrechten und Grundfreiheiten des Nutzers abgewogen werden.

TÜRKEI: APPELL GEGEN WIEDEREINFÜHRUNG DER TODESSTRAFE – CCBE/DAV

Angesichts aktueller Bestrebungen in der Türkei, eine Wiedereinführung der Todesstrafe zu erwägen, hat der CCBE am 20. Oktober einen Appell gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe veröffentlicht (vgl. Pressemitteilung). Eine breite Allianz europäischer Anwaltschaften fordert in dieser gemeinsamen Erklärung die türkische Regierung dazu auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus Protokoll 6 und 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) über die Abschaffung der Todesstrafe nachzukommen, wonach die Wiedereinführung der Todesstrafe unter allen Umständen ausgeschlossen ist. Dies gilt auch im Falle des Krieges oder des Notstands. Der DAV ist Mitzeichner des Appells und unterstützt den jeweils am 10. Oktober stattfindenden Welttag gegen die Todesstrafe.

WORKSHOP ZU ROBOTERN UND KÜNSTLICHER INTELLIGENZ – EP

Im Rechtsausschuss (JURI) des Europäischen Parlaments fand am 17. Oktober 2016 ein Workshop zu Robotern und Künstlicher Intelligenz (KI) statt, der von der gleichnamigen innerhalb des Ausschusses bestehenden Arbeitsgruppe organisiert wurde. Im ersten Teil des Workshops ging es um vor allem um ethische Fragen, die die Weiterentwicklung von Robotern in verschiedenen Wirtschaftsbereichen aufwirft. Im zweiten Teil wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen erörtert. Dabei stellte Mady Delvaux (S&D) ihren Initiativbericht 2015/2103(INL) mit Empfehlungen an die Europäische Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik vor, über den im JURI-Ausschuss im Januar 2017 abgestimmt werden soll. Zu dieser Thematik veröffentlichte der JURI-Ausschuss am 18. Oktober 2016 zudem eine Studie (nur in französischer Sprache verfügbar). Im dritten Teil des Workshops stellte Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, den Diskussionsstand zur Robotik in Deutschland dar.

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