EiÜ 33/18
Polen verstößt gegen Rechtsstaatlichkeit – so die KOM
Die EU-Kommission hat am 24. September 2018 beschlossen, Polen wegen des gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßenden neuen polnischen Gesetzes über das Oberste Gericht vor dem EuGH zu verklagen (s. EiÜ 27/18). Die Kommission hat den Gerichtshof zudem ersucht, für die Zeit bis zum Erlass eines Urteils in der Hauptsache einstweilige Anordnungen zu treffen. Mit dem neuen polnischen Gesetz über das Oberste Gericht wird das Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt, womit 27 der 72 derzeit amtierenden Richter zwangsweise in den Ruhestand geschickt werden könnten. Polen komme damit seinen Verpflichtungen nach Artikel 19 Absatz 1 EUV in Verbindung mit Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht nach. Parallel läuft gegen Polen das sog. Rechtsstaatlichkeitsverfahren nach Artikel 7 EUV, wozu am 18. September 2018 im Rat für Allgemeine Angelegenheiten bereits eine zweite Anhörung abgehalten wurde.
Wer ist Anbieter im Sinne der Geoblocking-Verordnung? – KOM
Die EU-Kommission hat Erläuterungshinweise (derzeit nur in englischer Sprache verfügbar) für die ab dem 3. Dezember 2018 geltende Geoblocking-Verordnung (EU) 2018/302 (s. bereits EiÜ 09/18, 06/18) veröffentlicht, durch die ungerechtfertigtes Geoblocking und Diskriminierung von Online-Kunden vermieden werden soll. Das Dokument enthält Erläuterungshinweise zur Anwendung der Verordnung im elektronischen Geschäftsverkehr. Gemäß den Hinweisen (Art. 1) unterliegen Online-Handelsplätze, die Güter oder Dienstleistungen von dritten Parteien vermarkten, der Verordnung, wenn sie der Definition eines Anbieters (Art. 2 Nr. 18) unterfallen. Hiervon gibt es Ausnahmen, wenn der Online-Marktplatz nur im Namen oder im Auftrag eines anderen Anbieters tätig wird. In diesem Fall ist dieses Unternehmen als Anbieter verpflichtet. Noch einmal wird betont, dass durch Urheberrecht geschützte, nicht-audiovisuelle Werke (u.a. e-books, Videospiele, Musik oder Software) vom Verbot der Verwendung unterschiedlicher allgemeiner Geschäftsbedingungen (Art. 4 Abs. 1) ausgeschlossen sind. Des Weiteren habe die Verordnung keine Auswirkungen auf die im jeweiligen Mitgliedstaat anzuwendenden Verbraucherschutzgesetze und Regelungen zum Gerichtsstand. Diese sind weiterhin nach der Rom-I- und Brüssel-I-Verordnung zu bestimmen.
Holdinggesellschaften in Benelux und Deutschland – DAV
Der DAV Belgien, der DAV Niederlande sowie der DAV Luxemburg laden herzlich zu dem Tagesseminar „Holdinggesellschaften in Benelux und Deutschland – ein Ländervergleich“ ein. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, den 8. November 2018 von 9.00 bis 17.30 Uhr im Kölner Büro von GÖRG (Kennedyplatz 2, 50679 Köln) statt. Im Fokus stehen unter anderem die Themen der Gründung und Besteuerung von Holdinggesellschaften in Benelux und Deutschland sowie die nähere Betrachtung von Holdinggesellschaften im internationalen Umfeld. Näheres zu Programm und Anmeldung finden Sie hier.
Bericht zur Konsultation Bekämpfung illegaler Online-Inhalte – KOM
Die EU-Kommission hat einen umfassenden Bericht über die Auswertung der vom 30. April bis zum 25. Juni 2018 durchgeführten Konsultation über Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Bekämpfung illegaler Online-Inhalte veröffentlicht (s. auch DAV-Stellungnahme 29/18; EiÜ 27/18). Öffentliche Behörden merkten an, dass es Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Quellen von illegalen Inhalten und daher auch Probleme hinsichtlich der Beweiserhebung in diesbezüglichen gerichtlichen Verfahren gebe. Rückmeldungen aus der Wissenschaft bezogen sich überwiegend auf die Erwägung, dass es verschiedene Arten von illegalen Online-Inhalten gebe und diese unterschiedliche Rechtsrahmen benötigen, was auch vom DAV angemerkt wurde. Sie zeigten sich besorgt über den Einsatz automatischer Überprüfungen, bei denen die Notwendigkeit von Schutzmechanismen für Grundrechte und die Gewährleistung von Transparenz im Prozess der Suche und der Löschung von illegalen Inhalten als erforderlich erachtet wird. Zivilgesellschaftliche Organisationen äußerten Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen, die neue legislative Maßnahmen auf die Freiheit der Meinungsäußerung und Information haben könnten. Auch der DAV hatte in seiner Antwort auf die Konsultation auf den hohen Wert der Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft hingewiesen.
Erweiterter Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie notwendig? – EP
Kommt der Zeitplan des EU-Gesetzgebers bei dem Richtlinienvorschlag COM(2018) 218 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (s. hierzu EiÜ 28/28; 17/18), ins Stocken? Diesen Eindruck konnte man jedenfalls bei der Aussprache des Rechtsauschusses (JURI) des EU-Parlaments am 24. September 2018 zur Diskussion der Änderungsanträge (66-299; 300-577) gewinnen. Im Mittelpunkt der Aussprache stand die Frage, ob der Vorschlag um weitere Rechtsgrundlagen (wie z.B. den Arbeitnehmerschutz gem. Art. 153 oder die Flexibilitätsklausel gem. Art. 352 AEUV) ergänzt werden muss, um so den horizontalen Anwendungsbereich der Richtlinie noch weiter zu ziehen. Hierfür würde es jedoch einer Stellungnahme des Legal Service des EU-Parlaments bedürfen, was zu Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren führen kann. Aus DAV-Sicht besonders zu begrüßen ist Änderungsantrag 274, wonach die von bereits durch Erwägungsgrund 69 vorgesehene Unberührtheit des Schutzes „gesetzlicher und sonstiger beruflicher Vorrechte nach nationalem Recht“ im persönlichen Anwendungsbereich von Art. 2 geregelt werden sollte. Bisher war die Abstimmung über den Berichtsentwurf im Rechtsausschuss für den 10. Oktober 2018 angesetzt – es bleibt abzuwarten, wie die Diskussionen hier weitergehen.
Aufforderung zur Abnahme des Kopftuchs im Gericht nicht EMRK-konform – EGMR
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 18. September 2018 entschieden, dass die Aufforderung an eine Nebenklägerin, ihr Kopftuch abzunehmen, um am Gerichtsverfahren teilzunehmen, eine Verletzung des Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- u. Religionsfreiheit) darstellt (Beschwerde-Nr. 3413/09, Lachiric c. Belgique, nur in französischer Sprache verfügbar). Die Beschwerdeführerin, die muslimischen Glaubens ist, trug bei ihrem Erscheinen in einem belgischen Gerichtsverfahren im Jahr 2007 als Nebenklägerin ein islamisches Kopftuch, welches das Gesicht nicht bedeckte. Der Vorsitzende der Kammer forderte sie auf, das Kopftuch abzulegen oder den Gerichtssaal zu verlassen. Das Gericht stütze sich dabei auf Art. 759 der Zivilverfahrensordnung, wonach derjenige, der einer mündlichen Verhandlung beiwohnt, sich offen, respektvoll und still zu verhalten habe und wonach das Gericht Anordnungen zum ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens treffen könne. Der EGMR urteilte, dass das Tragen des Kopftuches einen religiösen Akt darstelle und von der Religionsfreiheit geschützt sei. Fraglich sei, ob im konkreten Fall der Eingriff durch die Einschränkungen des Art. 9 Abs. 2 EMRK gedeckt war. Gemäß des EGMR verfolge das belgische Gesetz zwar den legitimen Zweck zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, es gehe jedoch nicht aus den Umständen des Falls hervor, dass die Beschwerdeführerin sich bei Eintritt in den Gerichtssaal nicht respektvoll verhalten habe und dass dadurch der reibungslose Ablauf des Verfahrens gefährdet gewesen sei.
Rechtsmittel gegen Urteil einer Rückkehrentscheidung: Keine automatisch aufschiebende Wirkung – EuGH
Eine nationale Regelung, die einem Rechtsbehelf gegen ein erstinstanzliches Urteil zur Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz und Auferlegung einer Rückkehrverpflichtung, keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes zuerkennt, ist unionsrechtskonform. Hierbei sei es unerheblich, dass der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückverweisung geltend macht. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 26. September 2018 in der Rechtssache C-180/17. Die Regelungen der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EU verpflichten die Mitgliedstaaten nur, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen. Hiervon sei jedoch nicht umfasst, dass „die Mitgliedstaaten internationalen Schutz beantragenden Personen, deren Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags und die Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, ein Rechtsmittel gewähren müssen, und erst recht nicht, dass ein solches Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben muss“, so der EuGH. In Bezug auf die Asylverfahrensrichtlinie stellt der EuGH zudem klar, dass ein wirksamer Rechtsbehelf gem. Art. 46 Abs. 3 nur für das erstinstanzliche Gericht erforderlich sei. Der EuGH verwies weiter auf seine ständige Rechtsprechung, wonach das in Art. 47 der EU-Grundrechtecharta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nur umfasse, dass dies vor mindestens einem Gericht ermöglicht werde.
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