EiÜ 33/19
Generalanwalt Bobek zur anwaltlichen Unabhängigkeit – EuGH
Der Lehrvertrag eines Anwalts mit einer Universität lässt nicht dessen anwaltliche Unabhängigkeit entfallen. Dies befand Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rs. C-515/17 P und C-561/17 P (vgl. auch Pressemitteilung). Die Universität Breslau hatte gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung bereits gewährter EU-Finanzmittel vor dem Gericht erster Instanz der EU Klage erhoben und war in dem Verfahren von einem polnischen Rechtsanwalt vertreten worden, mit dem sie ebenfalls einen Lehrvertrag abgeschlossen hatte. Die Klage wurde mangels ordnungsgemäßer Rechtsvertretung durch einen „Anwalt“ im Sinne von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des EuGH sowie Art. 51 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen, da die Anforderungen an seine Unabhängigkeit nicht erfüllt seien. Es liege ein unheilbarer Mangel vor. Zu Unrecht, so Generalanwalt Bobek, denn der Anwalt sei ordnungsgemäß zugelassen gewesen, im Rahmen der Erbringung seiner Rechtsdienstleistung gegenüber seiner Mandantin ein Dritter gewesen und keinem externen Druck ausgesetzt gewesen. Es habe jedenfalls kein offensichtlicher Interessenkonflikt vorgelegen. Verfahrensrechtlich seien mögliche Mängel der Rechtsvertretung als verfahrensrechtliche Mängel der Klage anzusehen, die heilbar sind, wozu ein Hinweis zu erteilen sei. GA Bobek schlägt daher vor, den Beschluss des Gerichts aufzuheben.
Rechtsrahmen für alternative Streitbeilegungsverfahren wirkt – KOM
Die EU-Kommission hat am 25. September 2019 einen Bericht (nur in englischer Sprache) über den Rechtsrahmen für die alternative Streitbeilegung und die Online-Streitbeilegung (OS) für Verbraucher vorgelegt. Die ADR-Richtlinie 2013/11/EU und die ODR-Verordnung Nr. 524/2013 sollen den Zugang der EU-Verbraucher zu außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren in Europa gewährleisten. Seit der Einführung der OS-Plattform im Jahr 2016 konnten 120.000 Verbraucherbeschwerden verzeichnet werden, wovon 42% direkt beigelegt wurden. Zudem ist das alternative Streitbeilegungsverfahren seit 2018 in allen Einzelhandelbranchen möglich. Der Bericht zeigt eine positive Entwicklung im Bereich der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Im Ergebnis sieht die Kommission bei den Instrumenten zur alternativen Streitbeilegung bei Verbraucherrechtsstreitigkeiten enormes Potential und möchte diese noch weiter ausbauen. Wichtig sei es, die Akzeptanz bei den Unternehmen zu stärken und die Verbraucher stärker auf die alternativen Streitbeilegungsmechanismen aufmerksam zu machen. Zu diesem Zweck soll der Austausch über Best-Practice-Beispiele unter den ADR-Stellen mit Verbraucher- und Unternehmerverbänden, der Wissenschaft und Gesetzgebern gefördert werden. Etwa durch eine ADR-Konferenz im Jahr 2020, eine Kommunikationskampagne zum Verbraucherrecht und der Gewährung von Zuschüssen beim Ausbau der OS-Plattform bzw. Unterstützung der ADR-Stellen.
Erste EU-Generalstaatsanwältin ernannt – EP, Rat
Die erste europäische Generalstaatsanwältin heißt Laura Codruța Kövesi und kommt aus Rumänien. Sie wurde vom Europäischen Parlament und dem Rat am 25. September 2019 benannt und konnte sich so gegen die ursprünglichen Mitbewerber Andrés Ritter aus Deutschland und Jean-François Bohnert aus Frankreich durchsetzen (s. Mitteilung des EP, vgl. auch EiÜ 9/19). Künftig wird Kövesi an der Spitze der ersten europäischen Ermittlungsbehörde stehen. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird bzgl. Betrugsstraftaten zulasten des europäischen Haushalts in den 20 teilnehmenden Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, ermitteln und voraussichtlich 2020 ihre Arbeit aufnehmen (vgl. EiÜ 32/18).
Die Grenzen des Rechts auf Vergessenwerden – EuGH
In zwei Urteilen hatte der EuGH diese Woche die Gelegenheit, die Grenzen des Rechts auf Vergessenwerden (vgl. C-131/12, EiÜ 19/14) zu konkretisieren. Das Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (wie solche, die die politische Meinung, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder das Sexualleben betreffen) gilt demnach neben Webseitenbetreibern auch für Suchmaschinen (C-136/17). Zwar seien diese nicht für den Inhalt, aber für die Listung verantwortlich. Bei der Prüfung eines Antrags auf Entfernung eines Links zu einer Website mit sensiblen Daten sei auf Einzelfallbasis zwischen der Schwere des Eingriffs in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf Informationsfreiheit der Internetnutzer abzuwägen. Ein weiterer Fall betraf die territoriale Reichweite des Rechts auf Vergessenwerden. Demnach müssen Suchmaschinenbetreiber auf begründeten Antrag auf Entfernung von Suchergebnissen in allen mitgliedsstaatlichen Versionen der Suchmaschine vornehmen. Nicht geschuldet ist eine weltweite Entfernung aus allen Versionen der Suchmaschine. Allerdings müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Internetnutzer davon abzuhalten, von einem Mitgliedsstaat aus auf die entsprechenden Links in Nicht-EU-Versionen der Suchmaschine zuzugreifen (C-507/17).
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