EiÜ 34/24
Neue Europäische Produkthaftungsregelungen final beschlossen – Rat
Der Rat der EU hat im Rahmen der Tagung der Ressorts Justiz & Inneres vom 10. und 11. Oktober die neue Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte final beschlossen (der Gesetzestext ist hier abrufbar). Damit soll die bisherige Richtlinie abgelöst und es Verbraucher:innen erleichtert werden, Schadensersatz geltend zu machen, der ihnen wegen durch fehlerhafte Produkte entstandene Schäden zusteht. Hierzu sollen fortan digitale Produkte (Software) und digitale Vertriebsformen sowie Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft erfasst sein, aber auch Beweiserleichterungen durch gesetzliche Vermutungen eingreifen, vgl. bereits EiÜ 10/24 sowie die DAV-Stellungnahme 71/22. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird die Richtlinie 20 Tage später in Kraft treten.
Neue Cybersicherheitsanforderungen für digitale Produkte – Rat
Der Rat hat ebenfalls am 10. Oktober 2024 mit dem „Cyberresilienzgesetz“ die neuen Sicherheitsanforderungen für digitale Produkte angenommen (der beschlossene Verordnungstext ist hier abrufbar). Die Regelungen sollen die Cybersicherheit von Hardware- und Softwareprodukten, d.h. insbesondere vernetzter Produkte durch Anforderungen an die Konzeption, Entwicklung und die Herstellung von Produkten mit digitalen Elementen sicherstellen, vgl. hierzu bereits EiÜ 28/23; 31/22 und die DAV-Stellungnahme 73/22, in der insbesondere die parallele Geltung der DSGVO in den Blick genommen wird. Für das Inkrafttreten ist noch die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erforderlich.
Jahresbericht zur Stärkung der Grundrechtecharta – KOM
Am 10. Oktober 2024 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Jahresbericht zur Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (siehe auch zum Bericht aus dem Vorjahr EiÜ 42/23). In diesem Jahr liegt der Fokus des Berichts auf der Umsetzung der Charta durch EU-Mittel, die zur Förderung, zum Schutz und zur Durchsetzung der Grundrechte innerhalb der EU bereitgestellt werden. Die Finanzierungsbemühungen der EU und anderer Geber spiegeln laut Bericht die Besorgnis über die Verengung des zivilgesellschaftlichen Raums in der EU und weltweit. Ein zentraler Bestandteil dieser Umsetzung ist das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichheit, Rechte und Werte“ (CERV). Darüber hinaus leisten auch andere sektorale Förderprogramme wie das Justizprogramm, Digital Europe, Erasmus+ und Horizon Europe einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Charta der Grundrechte. Dargestellt wird eine Vielzahl finanzierter Programme von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsorganisationen. Der Bericht hebt bewährte Verfahren hervor und würdigt die Anstrengungen zahlreicher Unterstützer:innen. Die EU-Kommission plant, die Finanzierungsmechanismen weiter anzupassen, um einen offenen und demokratischen Dialog innerhalb der EU zu fördern.
Zielgerichtete Werbung vereinbar mit der DSGVO? – EuGH
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verneint in seinem Urteil Schrems gegen Meta Platforms vom 4. Oktober 2024 (Rs. C-446/21) die unbegrenzte Verwendung personenbezogener Daten durch soziale Online-Netzwerke für Zwecke der zielgerichteten Werbung. Schrems erhielt über Facebook häufig zielgerichtete Werbung in Bezug auf seine sexuelle Orientierung, obwohl sich auf seinem Profil keinerlei dahingehende Hinweise befanden. Er erhob daraufhin Klage bei österreichischen Gerichten. Nach Klageerhebung nahm er an einer öffentlichen Podiumsdiskussion teil, bei der er seine sexuelle Orientierung offen thematisierte. Der EuGH stellt klar: Der Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit.c Datenschutzgrundverordnung) steht einer Erhebung und Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten ohne zeitliche Begrenzung und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der gezielten Werbung entgegen. Teile jemand öffentlich seine sexuelle Orientierung, dürfen diese Daten zwar grundsätzlich verarbeitet werden. Dies bedeute jedoch nicht, dass andere, zusätzlich gesammelte Informationen über die sexuelle Orientierung ebenfalls verarbeitet werden dürfen. Dass Onlineplattformen insbesondere Daten von Drittanbietern aggregieren und analysieren, um dieser Person personalisierte Werbung anzubieten, sei unzulässig. Ob Schrems seine sexuelle Orientierung im Rahmen der Podiumsdiskussion tatsächlich offensichtlich öffentlich gemacht hat, muss nun das nationale Gericht entscheiden.
Personeller Umschwung bei den europäischen Gerichten – EuGH/EuG
In einer feierlichen Sitzung des Gerichtshofs wurden Europäischer Gerichtshof und Gericht (1. Instanz) personell teilweise neu besetzt (s. Pressemitteilung). Durch Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten sind für den Zeitraum ab dem 07.10.2024 insgesamt sechs neue Richter:innen sowie drei neue Generalanwälte am Gerichtshof, und zwei Richter am Gericht erster Instanz ernannt worden. Außerdem wurden der Präsident, der Vizepräsident und der Erste Generalanwalt gewählt. Als Präsident des EuGH wurde der belgische Richter Koen Lenarts ein weiteres Mal bestätigt (s. Pressemitteilung). Dieser ist bereits seit 2003 Richter am EuGH und seit dem 08.10.2015 auch dessen Präsident und tritt nun seine vierte Amtszeit in dieser Funktion an. Sein Stellvertreter als Vizepräsident ist der deutsche Richter Thomas von Danwitz (s. Pressemitteilung). Von Danwitz ist seit 2006 Richter am EuGH und ist in diesem Amt der Nachfolger des Dänen Lars Bay Larsen. Die Generalanwälte haben den Polen Maciej Szpunar als Ersten Generalanwalt des Gerichtshofs wiedergewählt (s. Pressemitteilung). Er ist bereits seit 2013 Generalanwalt und seit 2018 Erster Generalanwalt. Lenarts, von Danwitz und Szpunar sind für ihre jeweiligen Ämter bis zum 06. Oktober 2027 gewählt.
Zweifel an der Überprüfbarkeit von EPPO-Verfahrensakten – EuGH
Die Frage, ob Verfahrensakte der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) ausreichend gerichtlich überprüfbar sind, war am 4. Oktober 2024 Gegenstand von Schlussanträgen des Generalanwalts Collins im Vorabentscheidungsersuchen C-292/23. Im Mittelpunkt steht die Beschwerde spanischer Beschuldigter, die sich gegen Zeugenladungen der Europäischen Delegierten Staatsanwälte im Rahmen eines Subventionsbetrugsverfahrens wehren. Sie bemängeln, dass spanisches Recht eine gerichtliche Überprüfung solcher Ladungen ausschließe, was möglicherweise gegen die EPPO-Verordnung 2017/1939 und die EU-Grundrechtecharta verstößt. Nach Artikel 42 Absatz 1 der EPPO-Verordnung müssen Verfahrensakte, die rechtliche Wirkungen gegenüber Dritten entfalten, einer gerichtlichen Überprüfung durch nationale Gerichte unterliegen. Der Generalanwalt betont, dass Zeugenladungen der EPPO diese Wirkung entfalten können, insbesondere wenn sie die Verteidigungsrechte der Betroffenen beeinträchtigen. Er verweist auf Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta, der ein Recht auf effektiven Rechtsschutz garantiert. Damit wäre der Ausschluss der Überprüfbarkeit von Zeugenladungen nach spanischem Recht problematisch; nationale Regelungen dürfen die Durchsetzung von EU-Rechten nicht erschweren. Der EuGH entscheidet in wenigen Monaten und ist an die Schlussanträge nicht gebunden.
Designschutzpaket final angenommen – Rat
Der Rat der Europäischen Union hat am 10. Oktober 2024 final das Designschutzpaket angenommen, vgl. PM. Dieses Gesetzgebungspaket umfasst die Überarbeitungen der Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Designs sowie der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (s. bereits EiÜ 10/24, 32/23). Dies war der letzte gesetzgeberische Schritt nach Kompromissfindung der europäischen Co-Gesetzgeber im Dezember 2023 (vgl. Richtlinien- und Verordnungstext auf Englisch hier). Das Gesetzgebungspaket soll den Schutz gewerblicher Muster und Modelle vereinfachen sowie den Neuerungen der digitalen Welt und des 3D-Drucks Rechnung tragen. Verordnung und Richtlinie treten am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Richtlinie ist durch die EU-Mitgliedsstaaten innerhalb von 36 Monaten in nationales Recht umzusetzen. Die Verordnung tritt vier Monate nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.
Maßnahmen zu erleichtertem Kapitalmarktzugang beschlossen – Rat
Der Rat hat am 08. Oktober 2024 ein Maßnahmenpaket angenommen, das die öffentlichen Kapitalmärkte der Union für EU-Unternehmen attraktiver machen und die Notierung an europäischen Börsen erleichtern soll (s. Pressemitteilung). Durch die Verringerung des Verwaltungsaufwands und der Kosten des Notierungsverfahrens soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Zugang zu Wachstum und Kapital erleichtert werden. Hierzu wurden eine Verordnung und eine Richtlinie angenommen. Teil des Pakets ist auch eine neue Richtlinie über Mehrstimmrechtsaktien, mit der den KMU durch entsprechende Stimmanteile eine Börsennotierung attraktiver gemacht werden soll (s. Pressemitteilung). Der DAV hatte zu dem Richtlinienvorschlag der Kommission Stellung genommen (s. SN 11/23) und unter anderem gefordert, die Schaffung von Mehrstimmrechtsaktien nicht nur auf das Segment des KMU-Wachstumsmarktes zu beschränken, sondern auch in anderen Marktsegmenten zuzulassen. In der angenommenen Fassung sieht die Richtlinie diese Begrenzung nicht mehr vor, vielmehr ist die Schaffung von Mehrstimmrechtsaktien nun auch für jedes andere multilaterale Handelssystem möglich, das für den Handel mit KMU-Aktien offensteht. Die Rechtsakte werden nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten 20 Tage später in Kraft. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie über Mehrstimmrechtsaktien beträgt zwei Jahre.
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