Europa im Überblick, 36/17

Panama Papers: Untersuchungsausschuss fordert bessere Aufsicht für Rechtsanwälte – EP

Der PANA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments hat in seiner Sitzung vom 18. Oktober 2017 seinen Untersuchungsbericht sowie Empfehlungen des Ausschusses (finale Dokumente liegen noch nicht vor) angenommen (s. EiÜ 29/17). Der Abstimmung sind dabei zahlreiche Kompromisse zwischen den Fraktionen vorausgegangen. Der Ausschuss kritisiert insbesondere den Mangel politischen Willens bei einigen Mitgliedstaaten zu einem wirksamen Vorgehen gegen Finanzkriminalität in der EU und fordert eine EU-weite Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen. Der Ausschuss fordert jedoch auch Konsequenzen aus der Beteiligung von Banken und sog. Intermediäre (u.a. auch Rechtsanwälte) an dem Panama-Paper Skandal. Der Ausschuss sieht dabei insbesondere einen Mangel bei der Aufsicht innerhalb der Anwaltschaft und fordert die Kommission zur Prüfung eines entsprechenden Legislativvorschlags auf, etwa für die Einführung einer separaten und unabhängigen, nationalen Aufsichtsstelle. Zudem solle die Anwaltschaft ein Verfahren einrichten oder verbessern, wonach das anwaltliche Berufsgeheimnis die ordnungsgemäße Meldung verdächtiger Transaktionen oder sonstiger potenziell illegaler Handlungen nicht verhindere. Der DAV hatte sich zuvor mit anderen Anwaltsorganisationen dafür eingesetzt, rechtsstaatliche Errungenschaften wie die durch die Selbstverwaltung gewährleistete Unabhängigkeit der Anwaltschaft und das Berufsgeheimnis nicht in Frage zu stellen. Die Abstimmung des Plenums des Europäischen Parlaments ist für Dezember 2017 angesetzt.

Schritt für Schritt zu mehr Schutz vor Terrorismus – KOM

Die Kommission hat am 18. Oktober 2017 in ihrem 11. Fortschrittsbericht COM(2017) 608 zur Sicherheitsunion eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um EU-Bürger künftig besser vor terroristischen Bedrohungen zu schützen (s. EiÜ 31/17 und Pressemitteilung). Im Kern soll mit den Maßnahmen zum einen verhindert werden, dass Terroristen an die für Anschläge erforderlichen Mittel gelangen, etwa durch die weitere Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Daneben schlägt die Kommission zur Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden Hilfsmaßnahmen für Ermittlungstechniken, Schulungen und die Einrichtung eines Netzes von Fachwissenszentren vor. Für Anfang 2018 kündigt die Kommission einen Vorschlag zum grenzüberschreitenden Zugang auf elektronische Beweismittel in Strafsachen an. Zudem macht die Kommission Vorschläge für einen besseren Schutz des öffentlichen Raums (s. Aktionsplan) sowie die Abwehr von Angriffen mit gefährlichen Stoffen (s. Aktionsplan). Im außenpolitischen Bereich empfiehlt die Kommission dem Rat, die Aufnahme der Verhandlungen zur Überarbeitung des Abkommens über Fluggastdatensätze mit Kanada (s. Empfehlung) als auch Verhandlungen mit bestimmten Drittländern zur verstärkten Zusammenarbeit mit Europol bei der Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität zu genehmigen. Die vorgestellten Maßnahmen sollen im Laufe der nächsten 16 Monate ergriffen werden. Weiterhin arbeitet die Kommission an einer EU-Aufklärungseinheit, die bis 2025 angekündigt wurde.

Kfz-Haftpflicht: Bessere Erstattung von Rechtsverfolgungskosten – DAV

Der DAV regt in seiner Stellungnahme 52/17 im Rahmen der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zur REFIT-Überprüfung der Richtlinie 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung an (s. EiÜ 29/17), die unterschiedlichen Verjährungsfristen für die Geltendmachung von Unfallschäden sowie die unterschiedlichen Systeme, den Fristenlauf zu hemmen, auf europäischer Ebene zu harmonisieren. Der DAV fordert außerdem, dem Geschädigten, der bei einem Auslandsunfall dringend auf professionelle Hilfe durch einen unabhängigen rechtlichen Vertreter angewiesen ist, die Rechtsverfolgungskosten in einem angemessenen Umfang zu erstatten. Nach Meinung des DAV sind selbstfahrende Fahrzeuge unter den gleichen Versicherungsschutz zu stellen wie von Fahrern gesteuerte Fahrzeuge. Hierbei dürfen der Versicherungsschutz und auch die zivilrechtliche Haftung nicht an mangelndem Verschulden scheitern.

Europäischer Tag der Justiz – DAV

Die zentrale deutsche Veranstaltung zum Europäischen Tag der Justiz findet am 8. November 2017 in Aachen statt. Ziel des Europäischen Tages der Justiz ist es, die Öffentlichkeit auf die Vorteile der EU bei der justiziellen Zusammenarbeit hinzuweisen. In einem strafrechtlichen Workshop geht es um die Formen strafrechtlicher Zusammenarbeit und die grenzübergreifende regionale Kriminalpolitik. In einem zivilrechtlichen Workshop werden die bestehenden EU-Rechtsinstrumente zur Geltendmachung von grenzüberschreitenden Forderungen im Zivil- und Familienrecht diskutiert. Für den DAV wird die Europabeauftragte des Ausschusses Zivilverfahrensrecht, Rechtsanwältin Béatrice Deshayes, an der Diskussion teilnehmen. Abgerundet wird die Veranstaltung mit einer öffentlichen Diskussion zum Europäischen Reiserecht und einem Festvortrag durch den Justizminister des Landes NRW, Peter Biesenbach. Weitere Informationen finden sie hier.

Erfolgsort des Schadens liegt am Mittelpunkt der Interessen EuGH

Der EuGH hat am 17. Oktober 2017 (Rs. C- 194/16) entschieden, dass eine juristische Person bei den Gerichten des Mitgliedstaats am Mittelpunkt ihrer Interessen gegen Online-Inhalte Klage erheben kann, auch wenn dieser nicht mit dem satzungsmäßigen Sitz des Unternehmens übereinstimmt. Dies ergibt die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Eine Gesellschaft estnischen Rechts wurde auf der Webseite einer schwedischen Gesellschaft auf eine „schwarze Liste“ aufgenommen und dort des Betrugs bezichtigt. Nachdem hierdurch ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Schweden faktisch lahmgelegt wurde, klagte diese in Estland, um gegen die Äußerungen vorzugehen und Schadensersatz zu erhalten. Anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet bei natürlichen Personen (Urt. v. 25.10.2011, Rs. C- 509/09 und C-161/10) entschied der EuGH, dass der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolges und die darauf beruhende Gerichtszuständigkeit auch bei einer juristischen Person am Mittelpunkt ihrer Interessen liege. Bei Unternehmen müsse dies den Ort widerspiegeln, an dem deren geschäftliches Ansehen am gefestigsten sei und wo diese den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausübe.

Berücksichtigung tatsächlicher Bindungen bei Asylbewerberaufnahme – EP

Im Ausschuss bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments  wurde am 19. Oktober 2017 der Berichtsentwurf (siehe hierzu EiÜ 10/17, 32/16 und DAV-Stellungnahme 67/16) von Berichterstatterin Cecilia Wikström (ALDE) zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission COM(2016) 270 zur Reform des Dublin-Verfahrens mit Änderungen (Änderungsanträge 110-285, 286-534, 535-771, 772-1021) angenommen. Die Abgeordneten schlagen vor, dass das Ankunftsland zunächst eine Registrierung, Sicherheitsprüfung und eine zügige Erstbewertung der Erfolgschancen eines Antrages auf internationalen Schutz durchführen müsse. Die Erstaufnahmeländer sollen jedoch nicht mehr automatisch für die Bearbeitung des Asylantrages des Flüchtlings zuständig sein. Stattdessen soll zunächst die tatsächliche Bindung des Flüchtlings zu einem anderen Mitgliedstaat geprüft werden (z.B. Familienangehörige, vorangehende Aufenthalte, Ausbildung). Fehlt diese, dürfe sich der Asylbewerber eines der vier Länder, das bisher nach einem festgelegten Verteilerschlüssel die niedrigste Quote von Asylbewerbern aufgenommen hat, aussuchen. Dieses Land soll die nächsten fünf Jahre die Verantwortung für den Asylbewerber übernehmen. Im November soll das Plenum des EU-Parlaments über den Bericht abstimmen. Damit die Trilogverhandlungen mit Rat und EU-Kommission beginnen können, muss noch der Rat seine allgemeine Ausrichtung festlegen.

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