Vereinfachung der europäischen Digitalgesetzgebung – DAV
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich an der Sondierung der EU-Kommission zu Omnibusvorschriften für den Digitalbereich (Vereinfachungspaket für den Digitalbereich) beteiligt, vgl. bereits EiÜ 32/25. Der DAV begrüßt das Vorhaben der EU-Kommission zur Vereinfachung und Entbürokratisierung der europäischen Digitalgesetzgebung. Dazu unterbreitet der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 68/25 konkrete Vorschläge: Unter anderem zwischen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der E-Privacy-Richtlinie besteht Bedarf nach Kohärenz im Hinblick auf Cookie-Banner beim Webtracking. Darüber hinaus bedarf es Änderungen in Bezug auf die Meldepflicht nach Artikel 33 DSGVO, da die vorgesehene niedrige Schwelle zur Überforderung der Datenschutzbehörden führt. Schließlich sieht der DAV Klarstellungsbedarf zwischen Artikel 6 DSGVO und der europäischen Verordnung zur Regulierung künstlicher Intelligenz (KI-Verordnung). Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung der in der KI-Verordnung normierten Pflichten als Fall einer rechtlichen Verpflichtung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. c DSGVO sollte als einschlägige Rechtsgrundlage anerkannt werden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Die EU-Kommission plant, noch in diesem Jahr einen konkreten Legislativvorschlag zu veröffentlichen.
DAV-Position zu Leitlinien über KI-Transparenz – DAV
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich an der gezielten Konsultation der EU-Kommission zur Erarbeitung von Leitlinien in Bezug auf Transparenzpflichten von KI-Systemen gemäß Artikel 50 der KI-Verordnung beteiligt, vgl. DAV-Stellungnahme Nr. 67/25 (auf Englisch) (vgl. zur Konsultation bereits EiÜ 31/25). Der DAV sieht aufgrund der Komplexität der vorgesehenen Transparenz- und Kennzeichnungspflichten Klarstellungsbedarf hinsichtlich ihrer Umsetzung, insbesondere aufgrund uneinheitlicher Standards. Es bedarf klarer Definitionen sowie standardisierter Tools zur Erkennung und Kennzeichnung. In Bezug auf KI-Systeme zur Emotionserkennung und Erstellung sog. Deepfakes bedarf es zusätzlicher Präzisierung bei den rechtlichen Ausnahmen und den technischen Anforderungen an diese KI-Systeme. Der DAV begleitet die Umsetzung der KI-Verordnung kontinuierlich und beteiligt sich regelmäßig an den Konsultationen der EU-Kommission (vgl. zuletzt StN Nr. 38/25 zu Leitlinien für Hochrisiko-KI-Systeme, Nr. 67/24 zu Leitlinien für die KI-Definition sowie verbotenen Praktiken und StN Nr. 19/25 zu Leitlinien für KI mit allgemeinem Verwendungszweck; s. auch EiÜ 22/25 und 31/24).
Nachhaltigkeitsomnibus: Der Trilog kann beginnen – EP
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) hat seinen Bericht zum sog. Nachhaltigkeitsomnibus zur Simplifizierung der Anforderungen an die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Sorgfaltspflicht von Unternehmen angenommen (vgl. PM). Die Parlamentsposition geht in einigen Punkten noch über den Kommissionsvorschlag hinaus (vgl. EiÜ Nr. 08/25). So soll die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) lediglich auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Nettojahresumsatz von über 450 Mio. Euro anwendbar sein, während kleinere Unternehmen freiwillig berichten können. Die Sorgfaltspflichtenrichtlinie (CSDDD) soll nur noch für große EU-Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Mrd. Euro Umsatz sowie für ausländische Unternehmen mit vergleichbarem EU-Umsatz gelten. Eine europäische, zivilrechtliche Haftungsregulierung soll es nicht geben. Verstöße sollen nach nationalem Recht sanktioniert werden, mit Bußgeldern bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes. Der DAV hat in seiner Stellungnahme Nr. 2/25 die Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung grundsätzlich begrüßt, warnt jedoch den europäischen Gesetzgeber davor, in einer Zeit geopolitscher Veränderungen, Errungenschaften auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes und Maßnahmen zur Erreichung von Klimaneutralität zurückzudrängen (vgl. dazu EiÜ Nr. 06/25). Der Bericht dient nun als Verhandlungsmandat für die anstehenden Trilogverhandlungen mit dem Rat der EU (vgl. zur allgemeinen Ausrichtung des Rates EiÜ Nr. 25/25).
Einreise-/Ausreisesystem (EES) in Betrieb genommen – KOM / FRA / EDPB
Am 12. Oktober 2025 wurde das neue EU-Einreise-/Ausreisesystem (Entry-Exit-system, EES) an den Außengrenzen des Schengenraums in Betrieb genommen, vgl. auch die Pressemitteilung. Das System ist Teil des EU-Pakets „Intelligente Grenzen“ und ersetzt schrittweise das manuelle Abstempeln von Pässen. Es erfasst elektronisch die Daten von Drittstaatsangehörigen bei Grenzübertritten– unabhängig davon, ob sie visumpflichtig sind oder visumfrei einreisen. Das EES berechnet automatisch die zulässige Aufenthaltsdauer (sog. Kurzaufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen) und warnt bei Überschreitungen. Gemäß der zugrundeliegenden Verordnung (EU) 2017/2226 Gespeichert werden biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsbilder, personenbezogene Daten sowie reisebezogene Daten. Ziel ist eine effektivere Kontrolle von Einreisen, die Verhinderung von Identitätsbetrug sowie die Bekämpfung irregulärer Migration. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat hierzu Leitlinien veröffentlicht, um sicherzustellen, dass die Datenerfassung im Einklang mit den Grundrechten erfolgt, insbesondere durch Informierung der Betroffenen, Schutz vulnerabler Gruppen und Wahrung der Menschenwürde. Ebenso mahnt der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) eine datenschutzkonforme Anwendung an und weist auf das Recht auf Auskunft der Betroffenen und etwaiger Berichtigung der Daten hin. Bis zum 10. April 2026 soll das EES vollständig umgesetzt werden.
Richterliche Unabhängigkeit: Ihre Perspektive ist gefragt! – ECJN/CCBE
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der richterlichen Unabhängigkeit ein? Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland und in 29 weiteren europäischen Ländern sind aufgerufen, ihre Wahrnehmung zu diesem Thema in einer Umfrage zu schildern. Die kritische Bewertung der richterlichen Unabhängigkeit von außen durch Anwältinnen und Anwälte soll der Richterschaft die Möglichkeit verschaffen, sich zu verbessern und Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit aufzuzeigen. Die Organisatoren der Studie sind das European Network of Councils for the Judiciary (ENCJ) und der Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE). Bis zum 26. Oktober 2025 haben Sie noch die Gelegenheit, über diesen Link anonym an der Umfrage teilzunehmen.
Asylrecht: Rücknahmeweigerung lässt Dublin-Regeln unberührt – EuGH
Ein EU-Mitgliedstaat wird nicht allein deshalb für einen Antrag auf internationalen Schutz zuständig, weil der zuständige Mitgliedstaat die Rücknahme von Antragstellern kategorisch verweigert. Dies schlägt Generalanwalt Szpunar dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 16. Oktober 2025 zur Entscheidung der Vorlagefragen des VG Sigmaringen vor (Rs. C-458/24). Ausgangspunkt war die einseitige Erklärung Italiens, entgegen der geltenden Regelungen der Dublin-III-Verordnung und danach bestehender italienischer Zuständigkeit nicht mehr zur Rücknahme von Schutzsuchenden bereit zu sein. Das VG Sigmaringen möchte vom EuGH wissen, ob infolge dieser Weigerung die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem sich der Schutzsuchende nun befindet – wie z.B. Deutschland. Generalanwalt Szpunar verneint dies unter Verweis auf das EuGH-Urteil Tudmur – eine Weigerungshaltung begründet insofern keine „systemische Schwachstelle“ beziehungsweise eine Unmöglichkeit der Überstellung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung. Ein Übergang der Zuständigkeit könne nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung aber erfolgen, wenn die Überstellung an den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nach Ablauf von sechs Monaten nicht erfolgt ist. Aufgrund dieser Regelung bestehe keine Notwendigkeit, den Zuständigkeitsübergang nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung unter Missachtung von dessen Wortlautgrenze zu konstruieren. Es wird nun die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erwartet.
Minderjährigenschutz im Internet: Ausschuss erzielt Einigung – EP
Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments (IMCO) hat sich auf eine Positionierung zu den bestehenden und künftig denkbaren Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen im Internet geeinigt. Ein entsprechender Initiativberichtsentwurf hat am 16. Oktober 2025 die Abstimmung im Ausschuss passiert (2025/2060(INI), s. bereits EiÜ 33/25). Der Ausschuss stimmte zunächst mehrheitlich für die Kompromissänderungsanträge, die die Fraktionen EVP, S&D, Renew und Grüne gemeinsam vorgeschlagen hatten, und nahm dann den geänderten Berichtsentwurf im Ganzen an. Inhaltlich kommentiert der Bericht zum einen die bereits von der EU getroffenen Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen im Internet und fordert eine entschlossene Umsetzung des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) und greift die dazu erlassenen Leitlinien der Kommission auf. Außerdem enthält der Bericht Forderungen nach strengeren Schutzvorschriften, z.B. nach einem unionsgesetzlichen Mindestalter für die Nutzung von Social Media Plattformen von 13 Jahren bzw. eine Einwilligung durch Erziehungsberechtigte für 13-16-Jährige. Bezüglich harmonisierter Vorgaben zur Einführung von verpflichtenden Alterskontrollen beim Zugang zu Internetseiten mahnt der Bericht aber auch zu grund- und datenschutzkonformen Lösungen an. Nach der Einigung im Ausschuss ist nun der Weg frei für eine Annahme des Berichts im Plenum.
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