Europa im Überblick, 37/18

Verbandsklagen: Massenschäden sollten individuell eingeklagt werden – DAV

Der DAV hält zahlreiche Änderungen an dem Richtlinienvorschlag (s. EiÜ 25/18) für eine EU-Verbandsklage für erforderlich (s. DAV-Stellungnahme Nr. 49/2018). Um divergierende Entscheidungen über ähnlich gelagerte Fälle zu vermeiden, sollten Verbandsklagen einheitlich nur am (Hauptverwaltungs-)Sitz des beklagten Unternehmens eingereicht werden können. Außerdem hält der DAV die nach dem Vorschlag vorgesehene Klagebefugnis von qualifizierten Einrichtungen in Bezug auf Folgenbeseitigungs- und Schadensersatzansprüche für problematisch. Massenschäden sollten individuell eingeklagt werden, da es dem Verbraucher obliegt, über sein Rechtsschutzziel (z.B. Rückgabe oder Reparatur) zu entscheiden. Außerdem hält der DAV das Verhältnis von Verbandsklagen zu den weiterhin zulässigen Individualklagen für klärungsbedürftig. Die Rechtsfolgen einer Verbandsklage (einschließlich der Verjährungshemmung) sollten nur für solche Verbraucher gelten, die sich ausdrücklich der Verbandsklage anschließen (sog. Opt-In). Der DAV setzt sich schließlich dafür ein, dass die Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen auch zugunsten des Unternehmens und nicht nur – wie vom Richtlinienvorschlag vorgesehen – zugunsten der Verbraucher gilt.

Legislativer Endspurt – das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2019 – KOM

Die EU-Kommission hat am 23. Oktober 2018 ihr Arbeitsprogramm (derzeit nur in englischer Sprache, s. auch Anhang) für das Jahr 2019 vorgelegt. Eine der Prioritäten liegt dabei in der Annahme bereits vorgelegter Vorschläge vor den Europawahlen im Mai 2019. Im Justizbereich zählt die EU-Kommission dazu u.a. die Vorschläge zu E-evidence (s. EiÜ 30/18), zum Schutz von Hinweisgebern (s. EiÜ 33/18) und zu Verbandsklagen (s. EiÜ 25/18), aber ebenso im Bereich des Binnenmarkts die verbleibenden Vorschläge aus dem Dienstleistungspaket (s. EiÜ 18/18). Gleichzeitig plant die EU-Kommission auch die Vorlage neuer Initiativen, insbesondere eine Überarbeitung des EU-Rahmens zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips von 2014. Sie möchte zudem einen koordinierten Plan zur Entwicklung von künstlicher Intelligenz in der EU voranbringen sowie noch Ende 2018 in Form einer Mitteilung bestehende Hindernisse für den Binnenmarkt bewerten und Lösungsvorschläge erarbeiten.

Polen muss Zwangspensionierung am obersten Gericht aussetzen – EuGH

Polen muss die Herabsetzung des Renteneintrittsalters für Richter am Obersten Gerichtshof umgehend aussetzen. Dies ordnete die Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rosario Silva de Lapuerta in einem Beschluss vom 19. Oktober 2018 an (Rs. C-619/18, nur auf Französisch verfügbar). Die EU-Kommission hatte das von ihr eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Reform der Renteneintrittsalter am 24. September 2018 an den EuGH verwiesen (s. EiÜ 27/18, 33/18) und gleichzeitig einstweilige Anordnungen beantragt, um u.a. die Anwendung der Senkung des Pensionsalters auszusetzen und sicherzustellen, dass die von der Reform betroffenen Richter ihre Funktion zunächst weiter ausüben können. Nach Rechtsprechung des EuGH muss für die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl die Notwendigkeit der Anordnung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht glaubhaft gemacht werden als auch die Dringlichkeit insofern gegeben sein, dass andernfalls ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Schaden für die Interessen der Union entstände. Die Vizepräsidentin des EuGH sah diese Bedingungen als erfüllt an und gab allen Anträgen der Kommission statt. Sie führte zur Frage der Dringlichkeit an, dass die Anwendung der Reform bereits zur Ernennung von 27 neuen Richtern geführt habe. Wenn der Klage der Kommission letztendlich stattgegeben würde, hätte dies zur Folge, dass alle in der Zwischenzeit durch den Obersten Gerichtshof ergangenen Urteile ohne die Garantien des Grundrechts auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht ergangen wären. Der Beschluss gilt rückwirkend für alle von den Pensionsregeln betroffenen Richter.

Einreichung von Dokumenten am EuGH nur noch papierlos – EuGH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) setzt ab dem 1. Dezember 2018 auf einen verpflichtenden elektronischen Austausch von Verfahrensschriftstücken über e-Curia (s. Pressemitteilung). Dies gilt sowohl für die Vertreter der Parteien untereinander als auch für den Schriftverkehr mit dem Europäischen Gerichtshof bzw. dem Gericht. Der EuGH hat sich aufgrund steigender Nutzerzahlen und positiver Erfahrungen seit der Einführung 2011 zu diesem verpflichtenden Schritt entschieden und erhofft sich dadurch noch effizientere Verfahren. Diese Entwicklung betrifft alle Parteien (Kläger, Beklagte und Streithelfer) und alle Arten von Verfahren einschließlich Eilverfahren. Um jedoch auch weiterhin allen Bürgern Zugang zum Recht zu gewähren, besteht zum Beispiel keine Nutzungspflicht bei technischer Unmöglichkeit oder wenn Prozesskostenhilfe von einer nicht anwaltlich vertretenen Person beantragt wird. Rechtsanwälte, die regelmäßig vor dem EuGH auftreten, sind nun aufgefordert, ein e-Curia-Zugangskonto zu beantragen.

Konzept zur besseren Einhaltung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit vorgelegt – KOM

Die EU-Kommission hat am 23. Oktober 2018 in der Mitteilung COM(2018) 703 ihr Konzept dargelegt, wie sie in Zukunft die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit besser einhalten möchte. Hierdurch sollen auch die Empfehlungen der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ umgesetzt werden (s. EiÜ 28/18). Die EU-Kommission verpflichtet sich unter anderem, das von der Taskforce vorgeschlagene Subsidiaritätsraster in allen Folgenabschätzungen und Begründungen zu verwenden. Außerdem soll es den nationalen Parlamenten besser ermöglicht werden, die Fristen für die Übermittlung von Stellungnahmen an die EU-Kommission einzuhalten. Wichtig sei es der EU-Kommission zudem, die Beteiligung der lokalen und regionalen Behörden sowohl bei öffentlichen Konsultationen als auch im Rahmen der REFIT-Plattform zur Bewertung des Verwaltungsaufwands geltender EU-Rechtsvorschriften besser zu gewährleisten. Dazu soll die Plattform um die Bereiche Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit erweitert werden. Die EU-Kommission fordert aber auch die anderen Organe auf, sich zum Subsidiaritätsraster zu bekennen. Insbesondere Rat und EU-Parlament sollen bei von ihnen vorgeschlagenen Änderungen an den Kommissionsvorschlägen eine Prüfung zur Einhaltung auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit durchführen. Gleichzeitig sollen beide Organe die Transparenz ihrer Verfahren erhöhen und dadurch lokale und regionale Behörden insbesondere in das Gesetzgebungsverfahren besser einbeziehen können.

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