EiÜ 37/24
Vor den Hearings: Pläne des designierten Innenkommissars Brunner – KOM
Ab der kommenden Woche „grillt“ das EU-Parlament die designierten Kommissarsanwärter:innen mit Fragen (vgl. Zeitplan/Webstream). Zuvor jedoch beantworteten diese bereits schriftliche Fragen, so auch der Innenkommissar in spe Magnus Brunner (Österreich). In seinen – von den Kommissionsdienststellen vorbereiteten – Antworten betont Brunner, er wolle Regeln zur Vorratsdatenspeicherung prüfen, hält die Einführung der CSAM-Verordnung („Chatkontrolle“, vgl. DAV-SN 32/23 und EiÜ 24/24) für dringend geboten und will die derzeit stockenden Verhandlungen abschließen. Zudem will er die Umsetzung des Neuen Pakts über Asyl und Migration engmaschig begleiten und einen erneuten Anlauf unternehmen, die Rückführungsrichtlinie zu überarbeiten (vgl. zuletzt DAV-SN 61/18 und 55/21). Die Abstimmung im EU-Parlament über die EU-Kommissar:innen („College of Commissioners“) erfolgt voraussichtlich am 27. November 2024.
Digital Services Act: Konsultation zu delegierter Verordnung – KOM
Die EU-Kommission hat eine delegierte Verordnung zum Digital Services Act (DSA) vorgelegt, die den Zugang zu Daten großer Online-Plattformen und Suchmaschinen betrifft. Im DSA (EU 2022/2065, vgl. allgemein EiÜ 7/24; 29/23) ist vorgesehen, dass die betroffenen Online-Plattformen und Suchmaschinenanbieter ihre Daten gegenüber dem Koordinator für digitale Dienste, der EU-Kommission bzw. qualifizierten Forschern preisgeben müssen, um die Einhaltung des DSA insbesondere mit Blick auf die Erkennung und Verhinderung ‚systemischer Risiken‘ überprüfen zu können. Die delegierte Verordnung regelt nun die technischen Bedingungen, unter denen dies erfolgt und konkretisiert die Zwecke, für die die Daten verwendet werden dürfen. Hierbei soll die Vereinbarkeit mit der DSGVO aber auch mit sonstigen schutzwürdigen Interessen (wie Geschäftsgeheimnisse und die Sicherheit der Systeme) sichergestellt werden. Der Text der delegierten Verordnung ist über die öffentliche Konsultation abrufbar, an der sich Interessenträger bis zum 26. November 2024 beteiligen können.
Save the Date: Webinar zu KI in der anwaltlichen Praxis – ELF/CCBE
Am 18. November 2024 (10:00 – 13:00 Uhr) veranstaltet die European Lawyers Foundation (ELF) gemeinsam mit dem Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE) ein Webinar mit dem Titel „The impact of artificial intelligence on European lawyer’s practices“ (Programm hier abrufbar). Nach einem allgemeinen Überblick über die am 1. August 2024 in Kraft getretene KI-Verordnung folgen Vorträge zum Einfluss der KI-Verordnung auf die anwaltliche Praxis und zur Frage des ethischen Einsatzes von KI im anwaltlichen Alltag. Im Weiteren soll es um die Herausforderung für nicht-englischsprachige Staaten im Bereich der generativen KI gehen sowie eine Checkliste vorgestellt werden bezüglich des Erwerbs und der Entwicklung von KI-Tools. Eine Registrierung für das kostenlose Webinar ist hier möglich.
Zwölf Grundsätze zur Prozessfinanzierung – ELI
Bereits am 9. Oktober 2024 veröffentlichte das European Law Institute (ELI), eine unabhängige gemeinnützige Organisation im Bereich der europäischen Rechtsentwicklung, Zwölf Grundsätze der Prozessfinanzierung (vgl. auch PM). Die in den Grundsätzen enthaltenen Themen betreffen zum einen die Offenlegungspflicht der Prozessfinanzierung sowohl gegenüber Parteien als auch gegenüber Gericht. Außerdem wird der Umgang mit Interessenskollisionen angesprochen, welcher den Prozessfinanzierern obliege. Schließlich sind auch Kapitalanforderungen sowie die konkrete Gestaltung des Prozessfinanzierungsvertrages Gegenstand der Grundsätze. Die Veröffentlichung erfolgt während der laufenden Erstellung der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen „Mapping Study“ zum Regulierungsumfeld von Prozessfinanzierern (vgl. dazu EiÜ 24/24). Die Studie wiederum geht zurück auf einen Initiativbericht des EU-Parlaments (Berichterstatter Axel Voss, DE, EVP), welcher mithilfe eines ausformulierten Richtlinienvorschlags die EU-weite Regulierung von Prozessfinanzierung einfordert (vgl. EiÜ 24/21).
Erleichterungen für Unternehmen bei steuerlichen Meldepflichten – KOM
Die EU-Kommission hat am 28. Oktober 2024 einen neuen Vorschlag (abrufbar auf Englisch) zur Verwaltungszusammenarbeit im Steuerbereich (DAC9) angenommen (PM, auf Englisch). Ziel ist es, die Meldepflichten für multinationale Unternehmen (MNEs) und große inländische Unternehmensgruppen (LSDGs) im Rahmen der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung ((EU) 2022/2523) zu vereinfachen und die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden zu verbessern. Der DAC9-Vorschlag, welcher die Richtlinie 2011/16/EU über die administrative Zusammenarbeit im Steuerbereich erweitert, soll sicherstellen, dass die neuen Meldepflichten zentralisiert und in standardisierter Form erfüllt werden können. So sollen Doppelmeldungen vermieden und der Aufwand für Unternehmen verringert werden. Mit der neuen Regelung können Unternehmen eine einzige, zentrale Steuererklärung für die gesamte Gruppe einreichen. DAC9 schafft zudem die Grundlage für einen intensiveren Austausch zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten. Nach der Annahme durch den Rat der EU haben die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2025 Zeit, DAC9 umzusetzen.
Vergaberecht: Keine Gleichbehandlung für Drittstaatsunternehmen – EuGH
Am 22. Oktober 2024 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-652/22 zugunsten eines Auftraggebers aus der Union und stellte klar, dass Unternehmen aus Drittstaaten ohne einschlägiges internationales Abkommen mit der EU keinen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Teilnahme an Vergabeverfahren der Union haben. Grundlage der Entscheidung ist die Richtlinie 2014/25/EU, die Regeln zur Gleichbehandlung und Transparenz im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge festlegt. Im vorliegenden Fall hatte ein türkisches Bauunternehmen die Entscheidung eines kroatischen Auftraggebers – aufgrund mutmaßlicher Benachteiligung – angefochten, einen öffentlichen Auftrag an einen konkurrierenden Anbieter zu vergeben. Der EuGH stellt jedoch klar, dass gemäß Art. 36 der Richtlinie nur Unternehmen aus Ländern, die durch internationale Abkommen mit der EU verbunden sind, auf gleiche Wettbewerbsbedingungen bei öffentlichen Ausschreibungen Anspruch erheben können. Ferner sind die Mitgliedstaaten aufgrund der ausschließlichen Unionskompetenz nicht befugt, eigenständig Regelungen zur Teilnahme von Drittstaatsunternehmen an Ausschreibungen festzulegen. In Abwesenheit eines Abkommens entscheidet der jeweilige Auftraggeber, ob Drittstaatsunternehmen teilnehmen dürfen; etwaige Rechtsmittel können lediglich nach nationalem Recht und nicht nach Unionsrecht beurteilt werden.
Neue Regeln zur Zuweisung der Rechtssachen an EU-Gerichtskammern – EuG
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat neue Kriterien zur Zuweisung von Rechtssachen festgelegt. Diese Änderungen, die seit dem 9. Oktober 2024 gelten, zielen auf eine spezialisierte Verteilung und ausgewogene Arbeitsbelastung der Kammern ab. Besonders hervorzuheben ist die detailliertere Zuweisung von spezifischen Falltypen an eigens dafür eingerichtete Kammern. Der Präsident des EuG hat zudem weiterhin die Möglichkeit, vom Zuweisungsschema abzuweichen, um zusammenhängende Fälle zu bündeln und die Arbeitslast der Kammern gleichmäßig zu verteilen. Diese Aktualisierung ersetzt die bisherigen Zuweisungskriterien aus dem Jahr 2023 und gilt bis zum 31. August 2025. Zu der kürzlich in Kraft getretenen Satzungsreform des Gerichtshofs und der teilweisen Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungsverfahren auf das Gericht siehe EiÜ 33/24.
Schutz geistigen Eigentums unabhängig von Ursprungsland – EuGH
Die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Kunstwerke im Gebiet der Union zu schützen, unabhängig vom Ursprungsland dieser Werke oder der Staatsbürgerschaft ihres Urhebers. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 24. Oktober 2024 hinsichtlich eines Designmöbelstücks (Rs. C-227/23). Dieses war von US-amerikanischen Designern entworfen worden, die Rechte hält jedoch eine schweizerische Firma. Ein niederländischer Möbelhändler vermarktete einen Stuhl, der dem Designmöbelstück sehr ähnlich war. Das Schweizer Unternehmen klagte auf Unterlassung der Vermarktung, woraufhin der Oberste Gerichtshof der Niederlande den EuGH mit der Frage befasste, ob ein EU-Mitgliedsstaat die sog. Klausel der materiellen Gegenseitigkeit aus der Berner Übereinkunft anwenden dürfe. Dieses internationale Abkommen bestimmt, dass ein Werk, das in einem Unterzeichnerstaat geschützt ist, denselben Schutz in allen Unterzeichnerstaaten genießt. Eine Ausnahme gilt für Werke der angewandten Kunst, wie Designermöbel. Demnach sind diese Werke in einigen Ländern nur geschützt, wenn sie im Herkunftsstaat als Kunstwerke und nicht lediglich als Modelle oder Muster geschützt sind. Der EuGH stellte klar, EU-Staaten dürfen diese Ausnahme nicht anwenden. Die EU-Richtlinie 2001/29/EG sieht vor, dass alle Werke, die in der EU Schutz beanspruchen, gleichbehandelt werden müssen, unabhängig von ihrem Ursprungsland. Eine Ausnahme, wie sie die Berner Übereinkunft vorsieht, ist mit dem Ziel, ein einheitliches Urheberrecht im Binnenmarkt zu schaffen, unvereinbar.
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