Europa im Überblick, 37/2025

Im Zeichen des Rechtsstaats: Weimarer Dreieck der Anwaltschaften – DAV

„We are lawyers and we will never give up!“ So fasste DAV-Vizepräsident Dr. Ulrich Karpenstein am 13. Oktober die Haltung der rund 200 Teilnehmenden der 5. Konferenz des Weimarer Dreiecks der Anwaltschaft zusammen. In der französischen Botschaft in Berlin tauschten sich Sophie Pornschlegel, Maître Patrice Spinosi und Dr. Thomas Zimmer in lebhafter Debatte, moderiert von Corinna Budras, über die zahlreichen Warnzeichen der Erosion des Rechtsstaats in der EU und den USA, aber auch über mögliche Lösungsansätze aus. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMJV Frank Schwabe hob nochmals die Bedeutung der Konvention des Europarats zum Schutz der Anwaltschaft für die Gewährleistung der anwaltlichen Unabhängigkeit hervor. Als Lösungsansätze wurden unter anderem eine geänderte Kommunikationsweise und Diskussionsführung über das Thema Rechtsstaatlichkeit und eine Verankerung der Rechtsstaatlichkeit als Schwerpunkt im kommenden mehrjährigen EU-Haushalt genannt.

Weltweiter Schutz der Anwaltschaft – EP

Am Montag, den 20. Oktober 2025 fand eine außerordentliche Sitzung des Unterausschusses Menschenrechte (DROI) sowie des Rechtsausschusses (JURI) des EU-Parlaments zum Thema Schutz der Anwaltschaft weltweit statt. Zu Beginn der Sitzung legte Ramla Dahmani, die Schwester der seit Juli 2024 in Tunesien inhaftierten Journalistin und Rechtsanwältin Sonia Dahmani ein eindrückliches Zeugnis der Misshandlungen und menschenunwürdigen Verhältnisse ab, denen ihre Schwester in der Haft ausgesetzt ist. Sie appellierte an die Europäische Union in ihren Partnerschaften mit Drittstaaten den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten als rote Linien einzufordern. Als erstes bindendes Instrument zum Schutz der anwaltlichen Berufsausübung wurde anschließend die Konvention des Europarates zum Schutz der Anwaltschaft (siehe dazu EiÜ 19/25; 10/25) durch Vertreter des Europarates, der Anwaltschaft und der UN vorgestellt und zu dessen rascher Ratifizierung aufgerufen. Die anwesende Leiterin der Delegation der EU beim Europarat betonte mit Blick auf einen Beitritt der EU zu der Konvention, die EU-Kommission arbeite mit Nachdruck an entsprechenden Beschlussentwürfen und wolle diese bis Ende des Jahres vorlegen. An der Sitzung teilgenommen haben neben Vertretern des CCBE auch die Deutsche sowie die Französische Delegation beim CCBE, die am gleichen Tag in Strasbourg auf Einladung der französischen Delegation ihr jährliches bilaterales Treffen abhielten.

Arbeitsprogramm 2026: „Europe’s Independance Moment“ – KOM

Das am 21. Oktober 2025 vorgelegte Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2026, unter dem Motto „Der Moment der Unabhängigkeit Europas“, zielt auf eine souveränere, resilientere Union (abrufbar auf Englisch hier). Im Mittelpunkt stehen Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und die Stärkung des europäischen Justizraums. Die Kommission plant gemäß ihren politischen Leitlinien 2024-2029, den jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht als Instrument zu festigen und die EU-Anti-Korruptions-Strategie zu verschärfen. Zudem soll die europäische Justiz digitalisiert und der Zugang zu Gerichten über eine einheitliche elektronische Plattform erleichtert werden. Die Zusammenarbeit zwischen nationalen Justizbehörden wird durch die Modernisierung des Europäischen Haftbefehls und eine engere Kooperation von Eurojust und Europol gestärkt. Im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität sind neue Initiativen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Online-Betrug vorgesehen. Besonderes Augenmerk gilt dem Schutz der Grundrechte und der Medienfreiheit: Ein Media Resilience Programme soll unabhängigen Journalismus fördern und Desinformation bekämpfen. Der geplante Digital Fairness Act soll Nutzerrechte und Verbraucherschutz in digitalen Räumen stärken (vgl. EiÜ Nr. 29/25 sowie zur Konsultation DAV SN Nr. 70/25, s. untenstehend). Flankierend sollen Verfahren vereinfacht und Bürokratie abgebaut werden, insb. für KMU und bei grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften. Insgesamt präsentiert sich das Programm als Schritt hin zu einer effizienteren, rechtsstaatlich gefestigten und digital vernetzten Union, die Justiz, Demokratie und wirtschaftliche Stabilität gleichermaßen stärkt.

DAV zum zukünftigen Rechtsakt über digitale Fairness – DAV

Der DAV hat sich an der Konsultation zu einem Rechtsakt über digitale Fairness beteiligt, vgl. dazu bereits EiÜ 29/25. In seiner Stellungnahme Nr. 70/25 äußert er sich dazu, in welchen Bereichen eine neue Regelung sinnvoll erscheint, um bestehende Schutzlücken im (Europäischen) digitalen Verbraucherrecht zu schließen. Dies betrifft etwa verschiedene Praktiken, mittels derer digitale Benutzeroberflächen gezielt so eingesetzt werden, dass die Verbraucher zu Entscheidungen veranlasst werden können, die sie ansonsten nicht getroffen hätten (sog. „Dark Patterns“). Ferner spricht sich der DAV für verbraucherschützende Maßnahmen bei digitalen Verträgen aus, um etwa noch einfacher ein bestehendes Rücktrittsrecht ausüben zu können oder eine Erinnerung vor automatischen Abonnementverlängerungen zu erhalten. Im Übrigen ist der DAV mit Blick auf neue Regelungen zurückhaltend und warnt davor, einen Rechtsakt zu schaffen, der die zum Teil schon bestehenden Regelungen überlagern und zahlreiche Querverweise enthalten würde. Er spricht sich stattdessen unter Verweis auf seine Stellungnahme 1/18 zum Warenhandel und Verbrauchsgüterkauf für eine einheitliche Kodifizierung des (digitalen) Verbrauchervertrags aus. Die EU-Kommission hat die Vorlage des Rechtsakts über digitale Fairness in ihrem nun vorgelegten Arbeitsprogramm (siehe dazu obenstehend) für das vierte Quartal 2026 angekündigt.

Sacharow-Preis 2025 für Journalisten aus Belarus und Georgien - EP

Der Europäische Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit 2025 wird an Andrzej Poczobut aus Belarus und Mzia Amaglobeli aus Georgien verliehen (vgl. PM sowie bereits EiÜ Nr. 33/25). Parlamentspräsidentin Roberta Metsola würdigte beide als „Leuchttürme des Mutes“ im Kampf für Wahrheit und Demokratie. Poczobut, Journalist und Aktivist der polnischen Minderheit in Belarus, ist seit 2021 inhaftiert und wurde zu acht Jahren Straflager verurteilt. Er kritisierte offen das Lukaschenko-Regime und setzte sich für Menschenrechte ein. Sein Gesundheitszustand ist kritisch, Familienbesuche sind untersagt. Das Europäische Parlament forderte mehrfach seine sofortige Freilassung und bezeichnete die Anklagen als politisch motiviert. Amaglobeli, Direktorin der Online-Medien Batumelebi und Netgazeti, wurde 2025 nach Protesten gegen die georgische Regierung festgenommen und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie gilt als erste politische Gefangene Georgiens seit der Unabhängigkeit und Symbolfigur der Demokratiebewegung. Das EU-Parlament bekräftigt seine Unterstützung für demokratische Kräfte in Belarus und Georgien und verurteilt die autoritären Tendenzen beider Regierungen. Der 1988 eingeführte Sacharow-Preis ehrt jährlich den Einsatz für Menschenrechte und Meinungsfreiheit (s. zu den Preisträgern 2024 EiÜ 36/24).

Parlament verabschiedet Verfahrensregeln zur Durchsetzung der DSGVO - EP

Am 21. Oktober 2025 nahm das Europäische Parlament im Plenum den in den Trilogverhandlungen gefundenen Kompromiss zu einem Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Festlegung zusätzlicher Verfahrensregeln für die Durchsetzung der Datenschutz‑Grundverordnung (DSGVO) in erster Lesung an. Ziel ist eine effizientere und einheitlichere Anwendung der DSGVO in grenzüberschreitenden Fällen. Die Verordnung präzisiert insbesondere Verfahrensrechte von Beschwerdeführern und betroffenen Unternehmen, regelt Fristen und Beweisstandards und legt verbindliche Kooperationsmechanismen zwischen den nationalen Datenschutzbehörden fest. Zudem soll sie Rechtssicherheit bei der Rollenverteilung zwischen federführender Aufsichtsbehörde und betroffenen Behörden schaffen. Durch die neuen Regelungen wird die Transparenz in Datenschutzverfahren gestärkt und die Bearbeitungsdauer komplexer Fälle verkürzt. Das Parlament stellte klar, dass die effektive Durchsetzung der DSGVO entscheidend für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Datenschutz innerhalb der EU ist. Nach förmlicher Annahme des Rechtsaktes durch den Rat der EU wird er am 20. Tag nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Anspruch auf Aufnahmeleistungen trotz Dublin-Überstellung – EuGH

Asylbewerber behalten Anspruch auf materielle Aufnahmeleistungen trotz Überstellungsentscheidung nach der Dublin III-Verordnung zur Regelung der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags. Diese Auffassung vertritt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) de la Tour in seinen Schlussanträgen vom 23. Oktober 2025 in einem Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts (Rs. C‑621/24) zur Auslegung der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme von Asylbewerbern) und Richtlinie 2013/32/EU (gemeinsames Asylverfahren). Im konkreten Fall lehnten die deutschen Behörden einen Asylantrag gemäß der Dublin-III-Verordnung als unzulässig ab und ordneten die Abschiebung in das Land des Asylerstantrags an. Angesichts der Ausreisepflicht wurden dem Asylbewerber gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz nur noch in beschränktem Umfang Sachleistungen bewilligt (Ernährung, Unterkunft und Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege und Krankenhilfe für den Krankheitsfall). Geldleistungen erhielt er keine mehr. Der Generalanwalt hält eine nationale Vorschrift, die Asylbewerber nach einer Dublin‑III‑Überstellungsentscheidung automatisch von Kleidung und Geldleistungen ausschließt, für unionsrechtswidrig. Der Begriff „Antragsteller“ gelte ohne Ausnahme, und der Aufnahmestaat müsse Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und Geldleistungen sicherstellen, um einen angemessenen Lebensstandard gemäß Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zu gewährleisten. Eine automatische Leistungsausschließung sei unzulässig. In der Sache muss nun der EuGH entscheiden.

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