Europa im Überblick, 38/16

NEUER VORSCHLAG ZU UNTERNEHMENSINSOLVENZEN – KOM/DAV

Die Europäische Kommission hat am 22. November 2016 ihren Richtlinienvorschlag COM(2016) 723 (bisher nur in englischer Sprache) zu präventiven Restrukturierungsrahmen, zur zweiten Chance und zu Maßnahmen zur stärkeren Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU vorgestellt (s. auch länderspezifisches Factsheet Deutschland zur Effizienz von Insolvenzverfahren). Der DAV (s. Pressemitteilung) begrüßt, dass damit insbesondere vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren für Unternehmen eingeführt werden sollen. In dem Kommissionsvorschlag, der auf der Empfehlung C(2014) 1500 beruht, ist auch – wie vom DAV in den Stellungnahmen 18/16 und 27/16 bereits gefordert – die Möglichkeit eines Moratoriums für den Schuldner vorgesehen, ebenso wie eine einheitliche Entschuldungsfrist von drei Jahren. Neben der damit verbundenen Stärkung redlicher Schuldnerrechte muss aus Sicht des DAV aber auch auf die berechtigten Belange der Gläubiger geachtet werden. Ein weiterer Eckpunkt des Vorschlags ist, dass die Arbeitnehmer während der Umstrukturierungsverfahren vollen Schutz genießen sollen. Zudem sollen Angehörige der Rechtsberufe und Gerichte nicht nur entsprechend geschult werden und sich spezialisieren, sondern die Mitgliedstaaten sollen auch für Insolvenzverwalter Verkammerungssysteme, Aufsichtsmechanismen, Fortbildungspflichten und Berufshaftpflichtversicherungssysteme vorsehen.

LEITLINIEN ZUR VERBESSERUNG DER IT-SICHERHEIT VON RECHTSANWÄLTEN – CCBE

Rechtsanwälte sollen ihre IT-Sicherheit gegenüber unzulässigen nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen erhöhen. Daher hat der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) im Oktober 2016 Leitlinien für die Verbesserung der IT-Sicherheit von Rechtsanwälten gegen unzulässige Überwachung veröffentlicht. Sie richten sich an Rechtsanwälte und folgen den Leitlinien zum Schutz der anwaltlichen Vertraulichkeit vor nachrichtendienstlicher Überwachung vom Mai 2016 (s. EiÜ 20/16), die an Gesetzgeber und Behörden gerichtet sind. Die Leitlinien sind zweiteilig und umfassen einerseits generelle Empfehlungen zur Steigerung der IT-Sicherheit von Anwälten und andererseits Anregungen für konkrete technische Maßnahmen.

BESCHRÄNKUNG DER DIGITALISIERUNG VERGRIFFENER WERKE – EUGH

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 16. November 2016 (C-301/15) entschieden, dass im Handel nicht mehr erhältliche Bücher nur dann digital vervielfältigt werden dürfen, wenn der Urheber vorab davon tatsächlich Kenntnis erlangt und so die Möglichkeit hat, zu widersprechen. Der EuGH hat somit zwei Autoren Recht gegeben, die ein französisches Dekret für nicht vereinbar mit der EU-Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG hielten. Nach französischem Recht wird einer Verwertungsgesellschaft das Recht übertragen, die digitale Nutzung sog. vergriffener Bücher zu erlauben, wenn der Urheber nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Aufnahme seiner Bücher in eine hierfür eingerichtete Datenbank widerspricht. Wenn der Rechteinhaber nicht widerspricht, könne nach Ansicht des EuGH darin nur dann eine konkludente Zustimmung zur Rechteübertragung zu sehen sein, wenn er über die künftige Nutzung tatsächlich informiert wurde. Es gebe zwar auch ein kulturelles Interesse der Verbraucher und der Gesellschaft, dass nicht mehr verfügbare Bücher digital nutzbar seien. Das derzeit geltende europäische Urheberrecht sehe jedoch keine ausdrückliche Ausnahme vom exklusiven Verwertungsrecht der Rechteinhaber vor. Das Urteil könnte sich auch auf die deutsche Regelung in § 51 VGG und die derzeit laufende EU-Urheberrechtsreform (s. EiÜ 35/16; 28/16; Stellungnahme des DAV 70/2016) auswirken.

EMPFEHLUNG EU-US-DATENSCHUTZABKOMMEN – EP

Der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat das am 2. Juni 2016 unterzeichnete EU-US Datenschutz-Rahmenabkommen (s. EiÜ 20/16) gebilligt und den entsprechenden Empfehlungsentwurf des Berichterstatters Jan Phillip Albrecht (Grüne) angenommen. Dieses sog. „umbrella agreement“ betrifft den Austausch und Schutz personenbezogener Daten zwischen Strafverfolgungsbehörden der EU und den USA zum Zweck der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen (s. EiÜ 18/16, 28/15). Das Abkommen soll einerseits die Rechte der Bürger stärken und andererseits die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden erleichtern. Es dient als Ergänzung und Rahmen des Datenschutzrechts von bestehenden und künftigen Vereinbarungen zwischen den USA und der EU oder der Mitgliedsstaaten, stellt aber nicht die Grundlage für einen Datentransfer dar. Über die Empfehlung zur Zustimmung zu dem Abkommen soll in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 1. Dezember 2016 abgestimmt werden.

STUDIE ZUR ERRICHTUNG DER EUROPÄISCHEN STAATSANWALTSCHAFT – EP

Der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments hat am 17. November 2016 eine Studie mit dem Titel „Towards a European Public Prosecutor’s Office“ herausgegeben. Ziel der Analyse sei es nicht, herauszufinden, ob der aktuelle, fast abgeschlossene Verhandlungsstand im Rat ein idealer oder guter Text zur Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft sei. Vielmehr gehe es darum herauszufinden, ob die Ziele, die mit der Errichtung der ersten europäischen Anklagebehörde verfolgt werden sollten, mit dem Text erreicht werden können. Positiv hervorzuheben sei die Entwicklung der Zuständigkeitskriterien gegenüber dem ursprünglichen Verordnungsentwurf (dies entsprach auch einer DAV-Forderung, vgl. DAV Stn. Nr. 48/2013). Es gelte nunmehr noch, zahlreiche Missstände zu beheben, damit kurz- oder auch erst langfristig eine Europäische Staatsanwaltschaft entstehe, welche dieses Namens auch würdig sei. Änderungen seien u.a. noch erforderlich bei den sachlichen Ermittlungsbefugnissen der Behörde (sog. „PIF“-Richtlinie): hier gelte es, den Mehrwertsteuerbezug aufzunehmen. Doch auch die Beschuldigtenrechte seien zu schwach ausgestaltet und im prozessrechtlichen Bereich werde fast ausschließlich auf nationales Recht verwiesen. Nun sei es am Parlament, noch auf Änderungen hinzuwirken und mit seinem Votum – auch ein „nein“ sei möglich und hätte verschiedene Vorteile – seinen Beitrag zum Verfahren zu leisten.

ANALYSE DER UMSETZUNG DES EUROPÄISCHEN HAFTBEFEHLS – CCBE

Strafverteidiger aus der ganzen EU haben im Rahmen des Dachverbandes der europäischen Anwaltschaften (CCBE) eine ausführliche Analyse zur Umsetzung und Anwendung des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI zum Europäischen Haftbefehl erstellt. Das Papier enthält neben Good Practices zur Anwendung des Europäischen Haftbefehls auch Empfehlungen an europäische Mitgliedstaaten zur besseren Erreichung der mit dem Rahmenbeschluss verfolgten Ziele, an europäische Strafverteidiger sowie an den EU-Gesetzgeber. Die Analyse ist das Produkt eines von November 2015 bis November 2016 mit Fördermitteln der EU-Kommission durchgeführten Projektes zum Europäischen Haftbefehl.

KOLLOQUIUM IN PARIS: AUSWIRKUNGEN DER DSGVO – DAV FRANKREICH

Am Freitag, den 2. Dezember 2016, veranstaltet der DAV Frankreich in Paris nachmittags ein Kolloquium in französischer Sprache zu den Auswirkungen der neuen Datenschutz-Grundverordnung, die 2018 in Kraft tritt, aus deutscher und französischer vergleichender Perspektive. Das Programm finden Sie hier, Anmeldungen sind über das dem Programm beigefügte Anmeldeformular möglich.

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