EiÜ 38/19
Grünes Licht für erste EU-Generalstaatsanwältin Kövesi – EP
Nach der Bestätigung durch die Konferenz der Präsidenten des EU-Parlaments am 17. Oktober 2019 wird Laura Codruţa Kövesi die erste Europäische Generalstaatsanwältin und kann ihr siebenjähriges Mandat 2020 beginnen. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird gegen Straftaten zulasten des EU-Haushalts vorgehen. Die Behörde wird dann nicht nur bei Korruption, Geldwäsche und Betrug mit EU-Geldern ermitteln, sondern auch bei grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug aktiv (vgl. u.a. EiÜ 23/17 und 33/19).
Juve Awards 2019: Großzügige Spende für European Lawyers in Lesvos – ELIL
In den letzten Wochen mehren sich schlechte Nachrichten aus dem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Die Zahl der Bewohner steigt kontinuierlich, die Zustände verschlechtern sich von Tag zu Tag – noch verstärkt durch den nun einsetzenden Winter mit Regen und Stürmen. Der Direktor der Europäischen Agentur für Grundrechte, Michael O'Flaherty, hat Moria im Oktober besucht und zeigte sich schockiert von den „unhaltbaren Zuständen“ vor Ort. In seinem Bericht erklärt er die Situation im Flüchtlingslager als „den eigentlichen Test unserer europäischen Werte.“ Umso erfreulicher ist, dass das vom DAV und CCBE initiierte Rechtsberatungsprojekt European Lawyers in Lesvos bei den diesjährigen Juve Awards 2019 eine Spendensumme in Höhe von 102.103 Euro erhielt. Diese Spende sichert eine Weiterführung der unabhängigen und individuellen Rechtsberatung in Moria bis in die zweite Hälfte des kommenden Jahres. Der DAV und der CCBE danken allen Spenderinnen und Spendern herzlich! Wenn auch Sie einen Beitrag zur Gewährleistung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien an der EU-Außengrenze leisten möchten, können Sie ELiL hier unterstützen.
Kritik an Untätigkeit bei Richtlinienvorschlag für mehr Steuertransparenz – EP
Der Richtlinienentwurf COM(2016) 198, der für mehr Transparenz im Hinblick auf die entrichteten Steuern multinationaler Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz ab 750 Millionen Euro sorgen soll, ist in Stillstand geraten. Dies kritisiert das Europäische Parlament am 24. Oktober 2019 und nahm dazu seine Entschließung an, mit der die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, eine Position im Rat zu erarbeiten, damit der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen werden kann. Die vorgeschlagene Richtlinie stammt aus dem Jahr 2016, wobei das Europäische Parlament seinen Standpunkt bereits im Juli 2017 festlegte. Im Rat herrscht weniger Einigkeit, jedoch betonte die finnische Ministerin für europäische Angelegenheiten, Tytti Tuppurainen, die im Namen der EU-Ratspräsidentschaft sprach, dass die Arbeit vorangekommen sei und mehr Sitzungen geplant seien. Vor allem die Rechtsgrundlage ist strittig, da die Kommission das Dossier als Binnenmarktthema, das dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegt, einstuft. Der Juristische Dienst des Rates hingegen sieht das Dossier als Steuerangelegenheit, wo Entscheidungen einstimmig im Rat getroffen werden und das Parlament nur konsultiert wird.
Rechtspraktiker immer besser im EU-Recht fortgebildet – KOM
Die Europäische Kommission hat ihre Europäische Fortbildungsstrategie für Justizberufe für die Jahre 2011-2020 evaluiert. Die Strategie dient der Förderung der Fortbildung von Rechtspraktikern, d.h. von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Gerichtsvollziehern, Justizbediensteten und Notaren, im Recht der EU. Laut dem Bericht (nur in englischer Sprache, s. auch Zusammenfassung auf Deutsch) hat die Strategie dazu beigetragen, die Kenntnisse im Bereich des EU-Rechts zu verbessern und gleichzeitig das gegenseitige Vertrauen zwischen Angehörigen der Rechtsberufe zu stärken. Das Ziel, zwischen 2011 und 2020 die Hälfte aller Angehörigen der Rechtsberufe auf dem Gebiet des EU-Rechts zu schulen, sei zwei Jahre früher als geplant erreicht worden und das Ziel, jährlich 1200 Angehörige der Rechtsberufe in Austauschprogramme einzubinden, sei übertroffen worden. In den Bericht sind die Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation der Interessenträger eingeflossen. Der Bericht dient der Erarbeitung einer Fortbildungsstrategie für die Jahre nach 2020.
Empfehlungen zu Fortbildung und Durchsetzung der EMRK – Europarat
Das Ministerkommittee des Europarats hat Empfehlungen CM/Rec(2019)5 an die Mitgliedsstaaten des Europarats zur beruflichen Aus- und Weiterbildung im EMRK-System angenommen. Darin wird konkret u.a. empfohlen, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten die Hochschul- und Berufsausbildung sowie die Weiterbildung im EMRK-System den Bedürfnissen und Erwartungen der im Bereich der Menschenrechte tätigen Praktiker anpasst und, falls erforderlich, diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit relevanten nichtstaatlichen Interessengruppen durchgefüht. Als Fachdozenten seien ehemalige Richter und Rechtsanwälte des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Richter und Rechtsanwälte der obersten und verfassungsrechtlichen nationalen Gerichte sowie Regierungsvertreter und deren Mitarbeiter geeignet. Dabei solle auf am besten geeigneten Lern- und Ausbildungsmethoden, u.a. E-Learning, zurückgegriffen werden. Solche Methoden könnten in enger Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Interessengruppen entwickelt werden. Der Europarat hat außerdem einen Bericht über die Umsetzung der Brüsseler Erklärung von 2016 zur Anwendung und Umsetzung der EMRK und der EGMR-Rechtsprechung veröffentlicht. Der Bericht basiert auf Länderberichten. Darin wird u.a. erläutert, wie in Deutschland EGMR-Rechtsprechung für die Öffentlichkeit und Fachleute aufbereitet wird und abrufbar ist, wie sie umgesetzt wird und wie Deutschland Justizpersonal und Anwälte in EMRK-Angelegenheiten fortbildet.
Sicherheit: EU-Recht bedarf konsequenterer Umsetzung – KOM
In den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Informationsaustausch, Kampf gegen Radikalisierung und Cybersicherheit sind Fortschritte erzielt worden, jedoch gibt es weiterhin Handlungsbedarf. Dies erklärte die Kommission am 30. Oktober 2019 in ihrem 20. Fortschrittsbericht zur Sicherheitsunion (vgl. auch Pressemitteilung). So hätten sich etwa Online-Plattformen freiwillig zu einem schnellen Eingreifmechanismus verpflichtet, der die Verbreitung terroristischer und extremistischer Gewaltinhalte im Internet eindämmen soll. Zudem tauschten Mitgliedsstaaten etwa über Europol mehr Informationen aus als je zuvor. Die Fähigkeit zur Abwehr von Cyberangriffen sei zwar verbessert worden, Mitgliedsstaaten müssten sich jedoch noch auf risikomindernde Maßnahmen verständigen. Von Online-Plattformen, die Verhaltenskodexe für die Selbstregulierung im Bereich Desinformation unterzeichnet haben, werden weitere Anstrengungen gefordert. Zudem wird eine mangelnde Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften durch die Mitgliedsstaaten kritisiert, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Fluggastdaten und die Einschränkung des Zugangs zu Feuerwaffen.
Migration: Generalanwältin betont Geist der Zusammenarbeit in EU – EuGH
Polen, Ungarn und Tschechien haben durch ihre Weigerung, Geflüchtete aufzunehmen, gegen ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommt die britische Generalanwältin Sharpston in ihren am 31. Oktober 2019 veröffentlichten Schlussanträgen im Rahmen der von der Kommission angestrengten parallel laufenden EuGH-Verfahren (Rs. C-715/17, C-718/17, C-719/17, vgl. Pressemitteilung). Die drei osteuropäischen Mitgliedsstaaten hatten die von der EU im Jahr 2015 erlassenen Beschlüsse nicht umgesetzt, welche vorsahen, eine Vielzahl von Geflüchteten von Italien und Griechenland aus auf die übrigen EU-Mitgliedsstaaten umzuverteilen. Die beklagten Mitgliedsstaaten rechtfertigten ihre ablehnende Haltung insbesondere mit der Gefahr für die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit. Nach Ansicht der Generalanwältin dagegen sei es den Mitgliedsstaaten ausdrücklich vorbehalten gewesen, einen Antragsteller im Einzelfall aus diesem Grund abzulehnen. Dem Vorwurf, die Umverteilung binnen kurzer Zeit sei praktisch nicht umsetzbar gewesen, hält sie den Geist der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Vertrauens der jeweiligen nationalen Behörden entgegen. Es sei allenfalls eine zeitweilige Aussetzung der Aufnahmeverpflichtung geboten gewesen. Die Missachtung einer Pflicht, weil sie unwillkommen oder unpopulär erscheine, sei ein gefährlicher erster Schritt hin zum Zusammenbruch einer auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft.
Diskriminierung durch Aussage in Radiointerview – EuGH
Die Äußerung eines Anwalts im Laufe eines Radiointerviews, in seiner Kanzlei keine homosexuellen Personen einzustellen, ist eine direkte Diskriminierung und verstößt gegen Art. 2 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78 für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Dies befand Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rs. C-507/18 am 31. Oktober 2019. „Zugang zu einer Erwerbstätigkeit“ umfasse nicht nur die Konditionen unmittelbar vor Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern bereits die Faktoren, die einen potentiellen Kandidaten davon abhalten sich überhaupt zu bewerben. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, ob der Zusammenhang mit dem Zugang zur Beschäftigung nicht hypothetisch ist, und zwar im Lichte des Status und der Fähigkeit der Person, die die Erklärungen abgegeben hat, der Art, des Inhalts und des Kontextes der Erklärungen. Die Meinungsfreiheit des Erklärenden werde hierdurch nicht verletzt. Nach den Schlussanträgen kann eine Vereinigung auch ohne eine bestimmte betroffene Person zu vertreten, ein Verfahren zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Gleichbehandlungsrichtlinie anstrengen. Zwar bleibe es dem nationalen Recht überlassen die Definition einer Vereinigung mit legitimem Interesse zu bestimmen. Eine Vereinigung, an die sich ein Diskriminierungsopfer typischerweise wenden würde, erscheine jedoch geeignet.
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