EiÜ 38/2022
Stellungnahme zur Konvention zum Schutze der Anwaltschaft – DAV
Der DAV hat erneut zum geplanten Abkommen zum Schutz der Anwaltschaft im Europarat Stellung genommen, vgl. Stellungnahme Nr. 63/2022 (in Englisch). Ziel des geplanten Abkommens ist es, den Schutz der anwaltlichen Tätigkeit, der Unabhängigkeit der Kammern sowie des Berufsgeheimnisses in den 46 Mitgliedstaaten des Europarates zu stärken. Während der DAV dieses Bestreben grundsätzlich sehr begrüßt, kritisiert er jedoch die im bisherigen Entwurf angelegte vorgesehene Unterscheidung zwischen allgemeiner Rechtsberatung und prozessualer Vertretung und das damit verbundene unterschiedliche Schutzniveau. Beide Tätigkeiten sind Ausdruck eines einheitlichen Berufsbildes und gehören zur Kernaufgabe jedes/r Anwalt/in. Der DAV begrüßt, dass der Entwurf die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltskammern von staatlicher Aufsicht statuiert. Allerdings sollte darüber hinaus klargestellt werden, dass die Kammern lediglich einer Rechtsaufsicht unterliegen. Der Entwurf wurde in der Sitzung des Expertenkomitees des Europarates (CJ-AV) am 8. November 2022 erneut beraten. Bereits in einem früheren Stadium der Arbeiten an der Konvention hat sich der DAV eingebracht, vgl. Stellungnahme Nr. 38/2022 (in Englisch).
Umweltverbände vor nationalen Gerichten klagebefugt – EuGH
Anerkannte Umweltvereinigungen müssen die Erteilung einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge im Hinblick auf einen Verstoß gegen entsprechende unionsrechtliche Vorschriften anfechten können. Der EuGH beantwortete damit am 8. November 2022 ein Vorabentscheidungsersuchen des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (C-873/19). Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal ging die Deutsche Umwelthilfe gegen die Erteilung einer EG-Typengenehmigung für VW-Fahrzeuge durch das Kraftfahrt-Bundesamt vor, da mit ihrer Software-Ausstattung ein Verstoß gegen das Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringerten, gegeben sei. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland argumentierte, der Deutschen Umwelthilfe fehle die Klagebefugnis, sodass die Klage unzulässig sei. Der EuGH entschied, dass Umweltverbänden die Überprüfung eines Verstoßes gegen die Verordnung über die Typgenehmigung von Kfz (Verordnung EG/715/2007) nicht verwehrt werden darf. Das VG Schleswig-Holstein ist damit gehalten, die Bestimmungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) entweder unionsrechtskonform auszulegen oder aber sie unangewendet zu lassen. Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit der in Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU statuierten Garantie auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
Gerichtlicher Prüfungsumfang der Voraussetzungen der Abschiebehaft – EuGH
Gerichte eines EU-Mitgliedstaates müssen bei der Prüfung der Voraussetzungen der Abschiebehaft von Drittstaatsangehörigen das Vorliegen aller Voraussetzungen von Amts wegen prüfen. Dies gilt auch, wenn das Nichtvorliegen der haftbegründenden Umstände vorher von der betroffenen Person im Verfahren nicht gerügt wurde. So entschied der EuGH am 8. November 2022 in den Rechtssachen C‑704/20 und C-39/21 zu Vorabentscheidungsersuchen aus den Niederlanden, wo die Entscheidung über die Inhaftnahme durch die Verwaltungsbehörde getroffen wird und das Verwaltungsgericht (nur) auf der Grundlage der Klageschrift, der vorgelegten Unterlagen und der mündlichen Verhandlung entscheidet. Der EuGH folgte damit den Schlussanträgen des Generalanwalts de la Tour (vgl. EiÜ 24/22). Ausgangspunkt ist, dass die Inhaftierung eines Drittstaatsangehörigen einen schwerwiegenden Eingriff in dessen Recht auf Freiheit aus Art. 6 EU-Grundrechtecharta darstellt und nur unter den engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann, die die Unionsvorschriften (u.a. die Rückführungsrichtlinie) daran knüpfen. Der EuGH stellt klar, dass sich aus den unionsrechtlichen Bestimmungen zur Abschiebehaft in Verbindung mit Art. 6 (Recht auf Freiheit) und Art. 47 der EU-Grundrechtecharta (Garantie auf einen wirksamen Rechtsbehelf) ergibt, dass die Gerichte von Amts wegen die etwaige Verletzung einer Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Inhaftnahme oder deren Aufrechterhaltung zu prüfen haben.
Kein Recht auf unmittelbaren Zugang zu Akten des BND – EGMR
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 08. November 2022 ein Urteil im Zusammenhang mit dem Recht auf Zugang zu Informationen des Bundesnachrichtendiensts gefällt, (Beschwerde-Nr. 8819/16, in Englisch). In dem Verfahren begehrte der die Individualbeschwerde stellende Journalist unmittelbare Akteneinsicht in Dokumente des Bundesnachrichtendienstes (BND) über den verstorbenen ehemaligen Premierminister Schleswig-Holsteins U.B. und dessen Todesumstände im Jahre 1987. Der EGMR verneinte einen Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK und das damit verbundene Recht auf Informationszugang, da der BND den unmittelbaren Zugang zu den Dokumenten in dem konkreten Fall unter Verweis auf die Interessen der nationalen Sicherheit zu Recht abgelehnt habe. Er verweist darauf, dass das Recht aus Art. 10 EMRK nicht absolut gewährleistet ist und dem Ersuchen des Antragstellers durch eine inhaltliche Auskunft über die Dokumente bereits teilweise nachgekommen worden sei. Im Rahmen des gegen die ablehnende Entscheidung stattgefundenen Rechtsmittelverfahrens habe der Antragsteller es unterlassen, darzulegen, warum nur durch unmittelbar physischen Zugang zu den Akten seinem Ersuchen habe gerecht werden können. Mit der Bestätigung der ablehnenden Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht sei der Ermessensspielraum hinsichtlich der nationalen Sicherheit somit nicht überschritten worden.
Feedback zur Transparenz von wirtschaftlich Berechtigten erwünscht – FATF
Die Financial Action Task Force (FATF), die internationale Institution, die Standards zur Geldwäschebekämpfung setzt und ihre Einhaltung durch die Mitgliedsstaaten prüft, hat eine öffentliche Konsultation zu aktualisierten Leitlinien zur Empfehlung 24 über die Transparenz und die wirtschaftlich Berechtigten juristischer Personen eröffnet. Auf der Vollversammlung im März 2022 hatte die FATF Änderungen an der Empfehlung 24 angenommen und unverzüglich mit der Arbeit an der Aktualisierung der Leitlinien begonnen, um die Umsetzung der neuen Anforderungen zu unterstützen. Insbesondere möchte die FATF wissen, ob der Leitfaden klar gefasst ist oder klärungsbedürftige Fragen aufwirft und ob es Fallbeispiele für Register sowie alternative Mechanismen gibt, die genaue, angemessene und aktuelle Informationen über wirtschaftlich Berechtigte bereithalten. Gefragt sind ferner Fallbeispiele für Mechanismen zur Überprüfung von Informationen über wirtschaftlich Berechtigte in Szenarien mit geringem Geldwäscherisiko. Kommentare zu den Leitlinien nimmt die FATF bis zum 6. Dezember 2022 unter FATF.Publicconsultation@fatf-gafi.org mit dem Betreff "Comments of [author] on the draft Amendments to FATF Guidance on Beneficial Ownership (R.24)" entgegen.
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