Europa im Überblick, 38/2025

Chatkontrolle: Dänische Ratspräsidentschaft gibt weitreichende Pläne auf – Rat

Die dänische EU-Ratspräsidentschaft kündigte am 30. Oktober 2025 an, ihre weitreichenden Pläne zur anlasslosen Kommunikationsdurchleuchtung zum Auffinden von Kindesmissbrauchsdarstellungen unter Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzugeben (vgl. dazu bereits EiÜ 35/2025 und PM 43/25). Stattdessen will die Ratspräsidentschaft nun offenbar die derzeit gültige Übergangsverordnung 2021/1232, die nach einer bereits erfolgten Verlängerung bis zum 3. April 2026 gilt, abermals verlängern. Diese sieht die Möglichkeit der freiwilligen Durchleuchtung elektronischer Kommunikation durch Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste vor. Der Deutsche Anwaltverein begrüßte in einem Statement am 31. Oktober 2025, dass die zuletzt verfolgten Pläne, die erhebliche Grundrechtseingriffe bedeutet hätten, nun jedenfalls vorübergehend nicht weiterverfolgt werden. Die Verordnung ist Gegenstand erheblicher Kritik durch zahlreiche Mitgliedstaaten sowie europäische Verbände, wird aber gleichwohl von EU-Kommission und einigen Mitgliedstaaten seit Jahren weiterverfolgt.

Leitlinien zur Nutzung generativer KI durch Rechtsanwält:innen – CCBE

Der Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) hat seinen Guide on the Use of Generative AI for Lawyersveröffentlicht. Dieser enthält Empfehlungen, wie Rechtsanwält:innen generative KI verantwortungsvoll und im Einklang mit berufsethischen Pflichten einsetzen können. KI-Tools sollen als unterstützende Hilfsmittel verstanden werden – nicht als Ersatz juristischer Expertise oder Entscheidungsfindung. Der Leitfaden betont die Wahrung zentraler anwaltlicher Prinzipien wie Vertraulichkeit, Unabhängigkeit, Sorgfalt und Kompetenz. Anwält:innen müssen sicherstellen, dass sensible Mandantendaten nicht unkontrolliert an KI-Systeme übermittelt werden und die Ergebnisse stets kritisch prüfen, da generative Modelle Fehler, Verzerrungen oder erfundene Inhalte („Halluzinationen“) erzeugen können. Zudem empfiehlt der CCBE, Mandant:innen über den Einsatz von KI zu informieren (Transparenz), klare Kanzleirichtlinien und Governance-Strukturen zu schaffen und regelmäßige Schulungen zum verantwortungsvollen Umgang mit KI durchzuführen. Auch rechtliche Fragen wie Urheberrechte, Haftung und Datenschutz müssen sorgfältig berücksichtigt werden. Ziel des Guides ist es, das Vertrauen in die anwaltliche Arbeit sowie deren Integrität und Qualität zu bewahren. Zugleich sollen die Chancen generativer KI – etwa für Recherche, Dokumentenerstellung oder Effizienzsteigerung – sicher und ethisch genutzt werden können.

Konsultationen zu Europol - und Eurojust-Verordnungen – KOM

Die Europäische Kommission führt bis zum 15. Januar 2026 eine öffentliche Konsultation zur Überarbeitung der Europol-Verordnung 2016/794 durch. Ziel ist es, Europol zu einer stärker operativen Strafverfolgungsbehörde auszubauen. Das Mandat soll erweitert werden, um auf neue Bedrohungen wie Sabotage, hybride Angriffe und Informationsmanipulation reagieren zu können. Zudem sollen technologische Expertise und Analysekapazitäten ausgebaut und die Koordination mit Eurojust, Frontex und der Europäischen Staatsanwaltschaft verbessert werden. Auch eine engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten und dem Privatsektor ist vorgesehen. Parallel soll die parlamentarische Kontrolle und datenschutzrechtliche Aufsicht über Europol gestärkt werden. Eine Beteiligung an der Konsultation ist über den Fragebogen oder eine Freitextstellungnahme möglich.Ergänzend sondiert die Kommission bis zum 25. November 2025 zu einer bevorstehenden Reform der Eurojust-Verordnung 2018/1727. Vorgesehen sind wahlweise nichtlegislative Verbesserungen, technische Anpassungen oder eine umfassende Mandatserweiterung, um Eurojust proaktiver, vernetzter und effizienter aufzustellen. In einem nächsten Schritt wird auch zu Eurojust eine öffentliche Konsultation durchgeführt.

Rule of Law Index 2025: Rechtsstaatlichkeit bewegt sich weiter abwärts – WJP

Die Organisation World Justice Project hat am 28. Oktober 2025 ihren Rule of Law Index 2025 präsentiert. Leider zeigt die neue Ausgabe des 143 Länder umfassenden Index, dass sich der Abwärtstrend bei der Rechtsstaatlichkeit fortsetzt und sogar beschleunigt hat. Als ein wesentlicher Faktor wird dabei der Rückgang der Unabhängigkeit der Justiz ausgemacht, aber auch das Schrumpfen des zivilgesellschaftlichen Raums. Die Datenerhebung beruht auf acht Hauptkriterien: Gesetzesbindung der Exekutive, Korruption, Transparenz der Regierung, Grundrechte, Ordnung und Sicherheit, Rechtsdurchsetzung, Ziviljustiz und Strafjustiz. Deutschland schneidet im Index sehr gut mit Platz 6 ab. Das World Justice Project ist eine ursprünglich durch die American Bar Association initiierte Organisation mit Hauptsitz in Washington, die sich die Beobachtung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit weltweit zum Ziel setzt, vgl. zur Methodik bereits EiÜ 37/23. Zur Präsentation des diesjährigen Index gelangen Sie hier.

DSA: TikTok und Meta verstoßen gegen Transparenzpflichten – KOM

Die Europäische Kommission hat am 24. Oktober 2025 vorläufig festgestellt, dass sowohl TikTok als auch Meta Platforms gegen Transparenzpflichten des Digital Services Act (DSA) verstoßen haben. TikTok und Meta haben nach Auffassung der Kommission Forscher:innen keinen ausreichenden Zugang zu öffentlichen Daten gewährt – damit wurde eine zentrale Transparenzpflicht des DSA nicht erfüllt. Mit Inkrafttreten eines delegierten Rechtsakts über den Datenzugang am 29. Oktober 2025 eröffnen sich Forschenden neue Möglichkeiten für den Zugang zu nicht öffentlichen Daten sehr großer Online-Plattformen und Suchmaschinen. Ziel ist es, die Rechenschaftspflicht zu verbessern und potenzielle Risiken, die sich aus deren Tätigkeiten ergeben, zu ermitteln (vgl. zu fehlenden datenschutzrechtlichen Hürden DAV-StN Nr. 85/24). Darüber hinaus hat Meta für seine Plattformen Facebook und Instagram nach Ansicht der Kommission keine nutzerfreundlichen Meldemechanismen für illegale Inhalte bereitgestellt und nicht ausreichend effektive Beschwerde- und Widerspruchsrechte gegen Moderationsentscheidungen eingeräumt. Die Entscheidung ist vorläufig; TikTok und Meta haben Gelegenheit zur Stellungnahme. Wird das Verfahren abgeschlossen und die Verstöße bestätigt, kann die EU-Kommission eine Nicht-Konformitätsentscheidung treffen – mit Geldbußen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes.

Stärkung der Arbeitnehmervertretung in multinationalen Unternehmen – Rat

Am 27. Oktober 2025 hat der Rat der Europäischen Union den gefundenen Kompromiss zur Revision der Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte bestätigt, die die Mitwirkungsrechte von Beschäftigten in großen multinationalen Unternehmen deutlich stärken soll (vgl. PM sowie zuletzt EiÜ 20/25). Die überarbeitete Richtlinie präzisiert, wann eine Pflicht zur Unterrichtung und Anhörung durch einen Europäischen Betriebsrat besteht – nämlich, wenn grenzüberschreitende Entscheidungen Beschäftigte in mehreren Mitgliedstaaten erheblich betreffen. Zusätzlich wird geregelt, dass Betriebsräte besser mit Ressourcen ausgestattet und deren Mitglieder stärker geschützt werden. Ferner sieht die Reform vor, dass Informationen nur unter klar definierten objektiven Kriterien als vertraulich behandelt werden dürfen. Der Zugang zur Justiz für Betriebsräte wird verbessert – insbesondere sollen Kosten für Rechtsvertretung und gerichtliche Verfahren übernommen werden. Ziel ist es, die Rechte der Beschäftigten in Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in mindestens zwei EU- oder EWR-Staaten zu stärken und die Mitbestimmung auf europäischer Ebene wirksamer zu gestalten (vgl. bereits EiÜ 25/24, 3/24, 14/23). Die Mitgliedstaaten müssen die neue Richtlinie nach Veröffentlichung im Amtsblatt innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen und spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten anwenden.

Entschädigungsanspruch trotz Verschiebung der Abflugzeiten – EuGH

Eine Fluggesellschaft kann sich im Falle von Flugverspätungen nicht auf eine kurz zuvor versandte erneute Buchungsbestätigung mit verschobenen Ankunftszeiten berufen. So entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 30. Oktober 2025 auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Landshut (C-558/24). Im Ausgangsfall waren den klagenden Fluggästen einen Tag vor Abflug eine neue Buchungsbestätigung unter Angabe einer späteren Abflug- und Ankunftszeit übersandt worden. Der Flug hatte gegenüber der ursprünglichen Ankunftszeit fast vier Stunden Verspätung. Bei der Berechnung der für den Entschädigungsanspruch maßgeblichen Dauer der Verspätung nach der Fluggastrechteverordnung (EG) 261/2004 berief sich die Fluggesellschaft auf die mitgeteilte neue Ankunftszeit, wodurch den Fluggästen aufgrund der geringeren Verspätungszeit kein Entschädigungsanspruch zugestanden hätte. Diesem Vorgehen erteilte die achte Kammer des EuGH eine Absage und stellte klar, dass eine solche Verschiebung nicht den Charakter der Verspätung in Frage stellen könne und die Dauer der Verspätung daher gemäß der Art. 5 Abs. 1 c und Art. 7 Absatz 1 der Fluggastrechteverordnung unter Berücksichtigung der ursprünglich geplanten Ankunftszeit zu bestimmen sei. Dies ergebe sich insbesondere mit Blick auf den Wortlaut und das Ziel der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.

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