Europa im Überblick, 40/18

Brexit-Deal steht – oder doch nicht? – KOM

In den Verhandlungen zum Brexit-Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) ist der lange erwartete Durchbruch erzielt worden. Wie beide Seiten am 14. November 2018 verkündigten, liegt eine Einigung sowohl zum Austrittsabkommen als auch für einen politischen Rahmen für die zukünftigen Beziehungen vor (nur auf Englisch verfügbar). Das Austrittsabkommen sieht u.a. vor, dass die Übergangsphase (bis Ende 2020) im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden kann, wenn keine Einigung über ein neues Abkommen erzielt wird. In der bis zuletzt strittigen Irland-Frage soll, falls bis zum Ende der Übergangszeit keine anderweitige Lösung gefunden wird, der sog. „backstop“ greifen. Dieser besteht in der Schaffung eines gemeinsamen EU-UK Zollgebiets. Für anwaltliche Qualifikationen, die nach der Qualifikationsrichtlinie 2005/36/EG oder Art. 10 der anwaltlichen Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG anerkannt wurden, soll ein Bestandsschutz gelten (Art. 27 des Austrittsabkommens). Anerkennungsverfahren, die vor Ende des Übergangszeitraums eingeleitet werden, sollen noch abgeschlossen werden können (Art. 28). Zudem sollen britische Anwälte laufende Mandate in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu Ende führen dürfen (Art. 91). Nachdem das britische Kabinett dem Entwurf zunächst zugestimmt hatte, kam es zu vereinzelten Rücktritten von Ministern. Der Entwurf des Abkommens bedarf noch der Zustimmung durch das britische Parlament, das EU-Parlament und alle EU-27 Mitgliedsstaaten. Dazu soll am 25. November 2018 ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs stattfinden.

Umfassender Mechanismus für Demokratie und Rechtsstaat gefordert – EP

Die EU-Kommission soll einen umfassenden Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte vorlegen. Das fordert das Plenum des EU-Parlaments in einem Entschließungsantrag vom 14. November 2018, in dem es die Unzulänglichkeit bisher existierender Instrumente vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in EU-Mitgliedsstaaten wie Polen, Ungarn oder Rumänien hervorhebt. Das EU-Parlament nimmt damit Bezug auf seine Forderung von Oktober 2016, einen interinstitutionellen Pakt für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu schließen (s. EiÜ 34/16), die bisher weder von Rat noch EU-Kommission aufgegriffen wurde. Das EU-Parlament verknüpft seine Forderung u.a. mit dem Vorschlag der EU-Kommission, Haushaltsmittel enger an die Einhaltung von Rechtsstaatkriterien zu binden (s. EiÜ 18/18) sowie mit der für Ende 2018 erwarteten Mitteilung der EU-Kommission zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union. Der Rat wird aufgefordert, in den laufenden Verfahren nach Art. 7 EUV gegen Ungarn und Polen „seiner institutionellen Rolle gebührend Rechnung zu tragen“ sowie das EU-Parlament regelmäßig über den Stand des Verfahrens zu informieren.

Produkthaftungsrichtlinie sollte auch Software umfassen – DAV

Der DAV fordert Klarheit in der Frage, ob Software ein Produkt im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG ist und zeigt in seiner Stellungnahme Nr. 55/2018 die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Probleme auf. Hintergrund der DAV-Stellungnahme sind die Arbeiten der „Product Liability Formation Expert Group“ der EU-Kommission zu den für 2019 angekündigten Leitlinien zur Produkthaftungsrichtlinie (s. EiÜ 19/18). Der DAV regt an, zu überlegen, ob die Produkthaftungsrichtlinie nicht nach 30 Jahren noch stärker den technischen Entwicklungen angepasst werden muss, die von der Richtlinie nicht oder nicht eindeutig umfasst werden. Dies gilt insbesondere für die Frage der Haftung für Produkte, bei denen die sie steuernde Software regelmäßig verändert wird, für Produkte, in die selbstlernende autonome Systeme integriert sind und für Fragen der Haftung für eine unverkörperte Datei, die ein Produkt steuert. Der DAV hielte es für sachgerecht, immer dann ein erneutes Inverkehrbringen im Sinne der Richtlinie anzunehmen, sobald das jeweilige Produkt ein Softwareupdate vom Hersteller erhält. Dabei sollte im Hinblick auf die Produkte, die sich selbst lernender autonomer Systeme bedienen, auch eine Gefährdungshaftung eingeführt werden, wie sie z.B. im Bereich von Kraftfahrzeugen in der Halterhaftung (§ 7 StVG) existiert.

Recht auf Zugang zum Anwalt im Ermittlungsverfahren gestärkt – EGMR

Eine Einschränkung des Rechts auf Rechtsbeistand kann unter Gesamtbetrachtung aller Umstände ein Strafverfahren als unfair erscheinen lassen und eine Verletzung des Artikels 6 Abs. 1, 3 der EMRK darstellen. Dies entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rs. Beuze vs. Belgien (no. 71409/10). Der Fall betraf die Verweigerung des Zugangs zu einem Rechtsanwalt für den Betroffenen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Mordes. Der Gerichtshof betont in seinem Urteil mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung (s. insbesondere Rs. Salduz vs. Türkei) die sehr strenge Kontrolle, die anzuwenden sei, wenn es keine zwingenden Gründe gebe, um die Einschränkung des Rechts auf Rechtsbeistand zu rechtfertigen. Das Gericht sah im vorliegenden Fall das Recht des Betroffenen auf Zugang zu einem Rechtsanwalt als besonders eingeschränkt an. Dieser wurde in Polizeigewahrsam befragt, ohne dass die Anwesenheit oder der Kontakt zu einem Anwalt sichergestellt wurde. Auch im Laufe weiterer Befragungen durch den Ermittlungsrichter und die Polizei wurde kein Rechtsanwalt hinzugezogen. Unter diesen Umständen und ohne hinreichende Belehrung über sein Schweigerecht gab der Betroffene in Polizeigewahrsam ausführliche Erklärungen zum Tatvorwurf ab. Diese waren später Gegenstand der Beweisaufnahme, ohne eine angemessene Prüfung der Umstände, unter denen die Erklärungen abgegeben wurden und der Auswirkungen der Abwesenheit eines Verteidigers.

Stärkere Rolle von Europol bei der Terrorismusbekämpfung gefordert – EP

Geht es nach dem Sonderausschuss zu Terrorismus (TERR) des Europäischen Parlaments, soll Europol das Zentrum für Informationsaustausch und Kooperationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung werden – notfalls mit einem stärkeren Mandat. Das geht aus dem Initiativberichtsentwurf der Berichterstatterinnen Monika Hohlmeier (EVP) und Helga Stevens (EKR) hervor, den der Ausschuss am 13. November 2018 angenommen hat (finaler Text demnächst hier verfügbar; s. Pressemitteilung). Der Ausschuss wurde mit Beschluss vom 6. Juli 2017 eingesetzt mit der Aufgabe, mögliche Fehler und Versäumnisse im Rahmen der Terrorismusbekämpfung der EU-Mitgliedstaaten aufzuarbeiten (s. EiÜ 31/17). Der Sonderausschuss spricht sich dafür aus, dass auch die nächste Europäische Kommission einen Kommissar für die Sicherheitsunion mit einem eigenständigen Arbeitsbereich beibehalten soll. Mitgliedstaaten sollen Informationen über einen Wechsel bei der Einschätzung ihres Bedrohungslevels und die Gründe hierfür kurzfristig mitteilen. Darüber hinaus schlägt der Ausschuss verschiedene Maßnahmen vor, um Radikalisierung zu verhindern, Terrorismusfinanzierung zu unterbinden, die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken und einen besseren Informationsaustausch zu gewährleisten. Außerdem soll sich stärker den Opfern von Terroranschlägen und deren Unterstützung gewidmet werden. Das Mandat des Sonderausschusses ist mit diesem Bericht abgeschlossen. Im Dezember wird das Plenum des EU-Parlaments abschließend über den Bericht abstimmen.

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