Europa im Überblick, 41/15

KOMMISSION SCHLÄGT VERTRAGSRECHT FÜR ONLINE-GESCHÄFTE VOR – KOM

Die Europäische Kommission hat am 9. Dezember 2015 zwei Richtlinienvorschläge und eine begleitende Mitteilung zu vertragsrechtlichen Regelungen für den Bereich des Onlinehandels mit Waren und digitalen Inhalten vorgestellt. Der Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte (COM(2015) 634) soll eine Lücke im vorhandenen Recht schließen, da in den meisten Mitgliedstaaten Regelungen zu digitalen Inhalten fehlen. In ihrem gleichzeitig vorgestellten Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und andere Formen des Fernabsatzes von Waren (COM(2015(635)) werden überwiegend Gewährleistungsrechte thematisiert. Der Vorschlag sieht dabei unter anderem eine Beweislastumkehr für einen Zeitraum von zwei Jahren zugunsten des Verbrauchers vor. In ihrer begleitenden Mitteilung „Ein modernes Vertragsrecht für Europa – Das Potenzial des elektronischen Handels freisetzen“ (COM(2015) 633) betont die Kommission, dass sie „alle notwendigen Schritte“ unternehmen werde, um die Vorschriften für den Online- und Offline-Warenhandel anzugleichen und verweist auf die derzeitige Überprüfung des bestehenden EU-Verbraucherrechts im Rahmen des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT). Zu beiden Gesetzgebungsvorschlägen können interessierte Bürger und Organisationen im Sinne der Agenda zur besseren Rechtsetzung (Mitteilung COM(2015) 215) innerhalb von acht Wochen der Kommission online eine Rückmeldung zukommen lassen.

URHEBERRECHT: AKTIONSPLAN, VERORDNUNG ZUR PORTABILITÄT UND KONSULTATION VORGESTELLT – KOM

Am 9. Dezember 2015 hat die EU-Kommission im Rahmen der Strategie für den Digitalen Binnenmarkt ihre Vorschläge zur Zukunft des Urheberrechts der EU veröffentlicht. Diese umfassen einen Verordnungsvorschlag COM(2015) 627 zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhalten im Binnenmarkt. EU-Verbraucher sollen künftig ihre zuhause erworbenen oder abonnierten Online-Inhalte mitnehmen können (s. Infoblatt), wenn sie sich „temporär“ in einem anderen EU-Land aufhalten. Die Verordnung zielt auf Onlinedienste für Filme, Musik, E-Books und andere digitale Inhalte ab, bei denen der Nutzer einen Vertrag geschlossen hat und dafür zahlt. Für kostenlose Dienste soll sie nur dann gelten, wenn der Dienst den Wohnort der Nutzer bestätigt hat. Die Kommission legte zeitgleich ihren Aktionsplan „Für ein modernes und europäischeres Urheberrecht“ vor (s. Infoblatt). 2016 soll demnach die Kabel- und Satellitenrichtlinie 93/83/EWG überarbeitet und die Erteilung von Lizenzen für den grenzüberschreitenden Zugang zu Inhalten vereinfacht werden. Außerdem sollen Ausnahmen im Urheberrecht zum Text- und Data Mining und im Bereich Bildung EU-weit festgelegt werden – im Bereich der Panoramafreiheit soll die Erforderlichkeit einer EU-weiten Ausnahme für mehr Rechtssicherheit geprüft werden. Außerdem wird die Kommission prüfen, ob das System zur Vergütung von Autoren und Künstlern eine Rechtsvereinheitlichung erfordert. Zudem hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zur Bewertung und Modernisierung der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG eingeleitet, die bis zum 1. April 2016 läuft. Für Angehörige von Rechtsberufen ist ein eigener Fragebogen verfügbar.

TROTZ GRUNDRECHTSBEDENKEN: KOMPROMISS ZUR FLUGGASTDATENSPEICHERUNG ERZIELT – RAT/EP/KOM

Einige Jahre war das Gesetzgebungsverfahren zum Richtlinienvorschlag zur Fluggastdatenspeicherung ins Stocken geraten, weil das EU-Parlament die anlasslose Speicherung aufgrund von Grundrechtsbedenken abgelehnt hatte – nun ging es ganz schnell: bereits am 4. Dezember 2015 einigten sich die Verhandlungsparteien im Trilog auf einen Kompromisstext. Am 10 Dezember 2015 nahm der Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) den Kompromiss mit 38 zu 19 Stimmen an, obwohl dieser deutlich über den Bericht des Parlaments hinausgeht (s. EiÜ 26/15). So sollen Fluggastdaten nun sechs Monate unmaskiert und danach viereinhalb Jahre ohne direkten Personenbezug aufbewahrt werden. Außerdem sollen neben interkontinentalen Strecken freiwillig auch innereuropäische Strecken erfasst werden. Der Rat der Innenminister verständigte sich bereits darauf, dass alle Mitgliedsstaaten diese Option nutzen werden. Bei Terrorismus und anderen schweren Straftaten dürfen Sicherheitsbehörden auf die gespeicherten Daten aus ca. 60 Kategorien zugreifen. Diese umfassen Namen, E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern sowie Essenswünsche der Reisenden. Im Parlament wurden vor der Abstimmung auch nach wie vor kritische Stimmen laut, so u.a. von den deutschen Abgeordneten Jan Philip Albrecht (Grüne) und Birgit Sippel (SPD) wie auch vom Europäischen Datenschutzbeauftragten Giovanni Butarelli, die u.a. auf die hohen Vorgaben des EuGH in seinem Vorratsdatenspeicherungsurteil hinwiesen.

KONSULTATION ZUR TRANSPARENZ VON TRILOGEN EINGELEITET – OMBUDSFRAU

Bereits im Mai hatte die Europäische Ombudsfrau O’Reilly eine Untersuchung aufgrund mangelnder Transparenz von „Trilogen“ eröffnet (s. EiÜ 31/15). Die informellen Triloge zur Kompromissfindung zwischen dem EU-Parlament, dem Rat und der Kommission finden inzwischen in ca. 85% aller Gesetzgebungsverfahren statt. Nun hat die Ombudsfrau im Rahmen der Untersuchung eine öffentliche Konsultation zur Transparenz von Trilogen eröffent, die bis zum 31. März 2016 läuft. Die Konsultation gibt allen Interessenträgern die Möglichkeit, sich zur Transparenz im Trilog, insbesondere zur Informationspolitik der Institutionen während der Verhandlungen, und zu möglichen Verbesserungen zu äußern. Das EU-Parlament, der Rat und die EU-Kommission haben in der laufenden Untersuchung bereits ihre Stellungnahmen zur Transparenz der Triloge vorgelegt.

RICHTLINIE ZUM AUTOMATISCHEN INFORMATIONSAUSTAUSCH ÜBER STEUERVORBESCHEIDE VERABSCHIEDET – RAT

Die Mitgliedstaaten haben am 8. Dezember 2015 im Rat Wirtschaft und Finanzen die Richtlinie über den automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung verabschiedet. Darin werden die Mitgliedstaaten zum automatischen Austausch von Informationen über grenzüberschreitende Steuervorbescheide und Vorabverständigungsvereinbarungen verpflichtet. Außerdem soll ein nicht-öffentliches Zentralverzeichnis für diese Informationen eingerichtet werden. Die neuen Regelungen werden ab dem 1. Januar 2017 gelten, für bis zu diesem Zeitpunkt erteilte Vorbescheide treten Übergangsvorschriften in Kraft. Das Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung zum Richtlinienvorschlag weitergehende Regelungen gefordert, insbesondere, dass die neuen Regelungen nicht nur auf grenzüberschreitende, sondern auf alle nationalen Steuervorbescheide anwendbar sein sollen (EiÜ 36/15).

EU-FRAUENQUOTE VOR DEM ENDE? WIEDER KEINE EINIGUNG ERZIELT – RAT

Der Richtlinienvorschlag COM(2012) 614 für eine Frauenquote in Aufsichtsräten liegt bereits seit 2012 auf dem Tisch und ist seither im Rat der EU blockiert (s. bereits EiÜ 37/15). Nach den Plänen der luxemburgischen Ratspräsidentschaft sollte im EPSCO-Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz am 7. Dezember 2015 endlich die Position des Rats in Form einer allgemeinen Ausrichtung zur Aufnahme von Trilogverhandlungen festgelegt werden. Dieses Unterfangen scheiterte jedoch erneut an einer Sperrminorität von Staaten, die sich aus Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsbedenken gegen den Vorschlag aussprachen: Deutschland, Slowakei, UK, Polen, Dänemark, Kroatien, Schweden, Estland, Ungarn und die Niederlande. Diese Staaten verweigern der Richtlinie ihre Zustimmung, obschon für Staaten, die ihre eigene Quotenregelung wie Deutschland haben, eine Flexibilitätslösung zur Beibehaltung des nationalen Ansatzes vorgesehen ist. Derzeit ist noch unklar, ob die niederländische Ratspräsidentschaft, die im Januar beginnt, das Dossier im Rat weiterführen wird.

NEUER UNTERSTÜTZUNGSMECHANISMUS FÜR MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER – KOM

Anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2015 hat die EU-Kommission einen neuen Unterstützungsmechanismus für gefährdete Menschenrechtsverteidiger angekündigt (s. Pressemitteilung). Für den Mechanismus stehen bis 2018 EU-Mittel in Höhe von 15 Mio. EUR zusätzlich zu der kontinuierlichen Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) zur Verfügung. Der neue Mechanismus sieht einerseits kurzfristige Maßnahmen wie physischen Schutz, rechtliche und medizinische Hilfe, Betreuung bei Gerichtsverfahren und während Inhaftierungen, Interessenvertretung in Notfällen, Unterbringung an sicheren Orten usw. vor. Außerdem soll mittelfristig die Lage von Menschenrechtsverteidigern überwacht werden und sollen diese im Bereich Risikoprävention und Sicherheit ausgebildet werden. Langfristig sollen Strategien entwickelt werden, mit denen gegen Menschenrechtsverteidigern auferlegte staatliche Beschränkungen und Sanktionen vorgegangen wird. Verwaltet wird der Mechanismus von einem Konsortium aus 12 Nichtregierungsorganisationen. Der Mechanismus soll weltweit zum Einsatz kommen, mit speziellem Fokus auf abgelegenen Gebieten.

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