GEBÜHREN der PROZESSBEVOLLMÄCHTIGTEN EU-RECHTSKONFORM?– EUGH
Das spanische Vergütungssystem für die Prozessbevollmächtigten („procuradores“) ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. Dezember 2016 in den verbundenen Rechtssachen C-532/15 und C-538/15. Die spanische Gebührenregelung für Prozessbevollmächtigte, die ein verbindliches Honorar vorschreibt, durch Verhandlungen mit dem Mandanten aber um 12 % über- oder unterschritten werden darf und durch die nationalen Gerichte hinsichtlich ihrer richtigen Anwendung überprüft werden kann, stelle insbesondere keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß gegen Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV dar. Zwar seien die festgesetzten Honorare grundsätzlich zur Handelsbeeinträchtigung zwischen Mitgliedstaaten geeignet. Allerdings sei die Ausarbeitung der Gebührenordnung der Prozessbevollmächtigten nicht an deren berufsständische Vereinigung als private Wirtschaftsteilnehmer übertragen worden, sondern stelle eine staatliche Rechtsvorschrift dar. Zudem bleibe die Festsetzung der Honorare unter staatlicher Kontrolle, auch wenn die Gerichte die Honorarbeträge nur eingeschränkt überprüfen können. Die spanischen Prozessbevollmächtigten (s. auch EiÜ 37/16) vertreten im gerichtlichen Verfahren die Parteien und gewährleisten den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens, nehmen aber – wie der EuGH in seinem Urteil feststellt – andere Aufgaben als die Rechtsanwälte dar.
TRILOGKOMPROMISS ZUR AKTIONÄRSRECHTERICHTLINIE – KOM/EP/RAT
Das Europäische Parlament, der Rat der EU und die Europäische Kommission haben am 9. Dezember eine Einigung in den Trilogverhandlungen zur Aktionärsrichtlinie COM(2014) 213 erzielt (s. EiÜ 25/15, 17/15, s. auch DAV-Stellungnahme 64/2014). Die Richtlinie sieht grundsätzlich mehr Transparenz bei der Einbeziehung der Aktionäre vor, etwa dass Aktionäre künftig über die Vergütungspolitik der Leitung ihres Unternehmens abstimmen können (s. Pressemitteilung des Rates). Nach der noch ausstehenden förmlichen Annahme des Kompromisses durch den Rat und das Europäische Parlament wird die Richtlinie Anfang des Jahres 2017 im Amtsblatt veröffentlicht. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
PRAXISLEITFADEN FÜR ANWALTSTÄTIGKEIT VOR DEM EGMR – CCBE
Europäische Menschenrechte seien bei der Anwaltstätigkeit auch auf nationaler Ebene stets mitzudenken, damit sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eines Tages auf die allerwichtigsten Fragestellungen fokussieren könne. Dies merkt EGMR-Präsident Guido Raimondi in seinen einleitenden Worten zum Praxisleitfaden für Anwälte vor dem EGMR (nur auf Englisch und Französisch verfügbar) an. Diesen hatte der Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE) im November 2016 zum zweiten Mal veröffentlicht (s. zur ersten Ausgabe EiÜ 17/14). Darin sind Informationen zu grundrechtsbezogenen Verfahren vor nationalen Gerichten, vor dem EGMR sowie zur Durchsetzung von EGMR-Urteilen enthalten. Der Leitfaden berücksichtigt auch Änderungen des bei der ersten Auflage des Leitfadens noch neuen Artikels 47 der Verfahrensordnung des EGMR, der Individualbeschwerden vor dem EGMR erhöhten Anforderungen unterwirft. Konkret thematisiert der Leitfaden, in welchem Verfahrensstadium vor nationalen Gerichten Menschenrechtsverletzungen auf Grundlage der EMRK geltend gemacht werden sollten, wie eine Beschwerde vor dem Gericht einzureichen ist sowie welche Rolle einem Anwalt nach Erlass eines Urteils zukommt.
PRIORITÄRE LEGISLATIVVERFAHREN IN DER EU IM JAHR 2017 – KOM/EP/RAT
„Eine Union, die ihre Ziele schneller und besser erreicht“ – das ist die Überschrift einer Gemeinsamen Erklärung, die EU-Parlament, Rat und Kommission am 13. Dezember 2016 in Straßburg unterzeichnet haben. In sechs Bereichen sollen die Verfahren zu vorliegenden Legislativvorschlägen besonders schnell durchgezogen werden. Dies betrifft im Bereich Sicherheit u.a. den Strafregisterinformationsaustausch. Im Bereich Migration sollen die Vorschläge für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem, darunter auch die Dublin IV-Verordnung zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für Asylverfahren sowie die Asylverfahrensverordnung vorangetrieben werden. Zu diesen Vorschlägen zeichnete sich zuletzt im Rat der Innenminister ein weitgehender Stillstand ab. Schließlich soll auch die Errichtung des digitalen Binnenmarkts beschleunigt werden mit Schwerpunkten auf der Bekämpfung von Geoblocking, der Urheberrechtsreform sowie der Umsetzung der Datenschutzreform. Grundsätzlich seien die vier Problemkreise, die 2017 besonderer Aufmerksamkeit bedürften, das Engagement für gemeinsame europäische Werte, das Rechtsstaatsgebot und die Grundrechte, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und –vermeidung, die Beibehaltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie ein Beitrag zu Stabilität, Sicherheit und Frieden.
FREE FLOW OF DATA: STELLUNGNAHME ZUM „EIGENTUM“ AN DATEN – DAV
Die Frage des „Eigentums“ an Daten und Informationen gewinnt in Zeiten der Datensammlung durch „Connected Cars“ oder „Smart Devices“ an Bedeutung. Der DAV hat durch seinen Ausschuss Informationsrecht im Rahmen seiner Stellungnahme Nr. 75/2016 einen Überblick zu den Interessen der Beteiligten und zur geltenden Rechtslage in Deutschland gegeben. Diese ist in Teilen unklar. Der DAV plädiert für Vorsicht bei dem Versuch, Herrschafts- oder Exklusivrechte an Informationen zu begründen. Die Informationsfreiheit habe in einer offenen Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Der DAV begrüßt den Ansatz der Europäischen Kommission in ihrer im Januar 2017 zu erwartenden Mitteilung zur „Free Flow of Data“-Initiative, zunächst nicht gesetzgeberisch tätig zu werden. Die deutsche Anwaltschaft wird sich mit den Ergebnissen dieser Initiative befassen.
MITTEILUNG ZUR BESSEREN UMSETZUNG VON EU-RECHT – KOM
Die Europäische Kommission hat am 14. Dezember 2016 Maßnahmen zur besseren Anwendung, Um- und Durchsetzung des EU-Rechts eingeleitet. Dazu veröffentlichte sie eine Mitteilung mit dem Arbeitstitel „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“. Insbesondere wird die Kommission demnächst bei nicht fristgerechter Umsetzung den EuGH bei Verfahrenseinleitung um die Verhängung eines pauschalen Bußgelds ersuchen und nicht lediglich wie bisher um die Verhängung eines Zwangsgeldes für einen bestimmten Zeitraum. Bürger können außerdem künftig individuell via Online-Formular eine Beschwerde bei der Kommission gegen eine Maßnahme (Rechts- oder Verwaltungsvorschrift), eine Unterlassung oder eine Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats einlegen, die nach ihrer Auffassung gegen EU-Recht verstößt. Über das noch zu errichtende „zentrale digitale Zugangstor“ wird die Kommission Bürgern und Unternehmen künftig den Zugriff auf alle den Binnenmarkt betreffenden Informationen, Beratungs- und Problemlösungsdienste ermöglichen.
SACHAROW-PREIS AN Nadia Murad&Lamiya Aji Bashar VERLIEHEN – EP
Die Gewinnerinnen des Sacharow-Preises für geistige Freiheit 2016, die jesidischen Menschenrechtsaktivistinnen Nadia Murad Basee Taha und Lamiya Aji Bashar, wurden am 13. Dezember 2016 im EU-Parlament in Straßburg geehrt (s. bereits EiÜ 35/16 und 29/16). Seit 1988 ehrt das EU-Parlament jährlich Persönlichkeiten oder Organisationen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einsetzen, mit dem Sacharow-Preis, benannt nach dem russischen Wissenschaftler, Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow. Die beiden Preisträgerinnen setzen sich für die Rechte der Gemeinschaft der Jesiden im Irak ein. Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit, die vom sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) verfolgt wird. Die Preisträgerinnen selbst wurden vom IS verschleppt und versklavt, konnten jedoch nach Deutschland fliehen. Heute sind sie das politische Sprachrohr der verfolgten Gemeinschaft der Jesiden und insbesondere derjenigen Frauen und Kinder, die Opfer des systematischen Einsatzes von sexueller Gewalt durch den IS geworden sind. Parlamentspräsident Schulz betonte bei der Zeremonie, der Internationale Strafgerichtshof müsse die durch den sogenannten "Islamischen Staat" begangenen Verbrechen untersuchen und erinnerte an die Pflicht Europas, verfolgten Menschen Schutz zu bieten.
EIÜ-BEZUG – HINWEISE
Zum Bezug der EiÜ genügt eine Nachricht an bruessel@eu.anwaltverein.de unter Angabe des örtlichen Anwaltvereins. Die EiÜ ist auch abrufbar unter: http://www.anwaltverein.de/leistungen/europa-im-ueberblick. Für einen französischen oder spanischen Überblick über anwaltsrelevante EU-Themen („Europe en bref“ bzw. „Europa en breve“) wenden Sie sich bitte an unsere Kollegen von der Délégation des Barreaux de France unter dbf@dbfbruxelles.eu bzw. vom Consejo General de la Abogacía Española unter bruselas@abogacia.es. Der Newsletter des Rats der europäischen Anwaltschaften CCBE kann hier abonniert werden: http://www.ccbe.eu/index.php?id=9&L=0. Sie finden uns auch auf Twitter: GermanBarAssociation @DAVbxl.
Kommentare