EiÜ 41/24
EU-Kommissionskollegium durch EU-Parlament bestätigt – EP
Am 27. November 2024 wurden die 26 EU-Kommissarinnen und Kommissare durch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments bestätigt, vgl. PM. Von der Leyen erreichte die erforderliche Mehrheit mit 370 Stimmen für die Kommission, 282 Gegenstimmen und 36 Enthaltungen (Wahlergebnis hier einsehbar). Die im Juli wiedergewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte die designierten Kommissarinnen und Kommissare im September vor (vgl. bereits EiÜ 31/24, 28/24). Diese mussten daraufhin schriftlich Antworten auf die Fragen der Abgeordneten des Parlaments vorlegen und sich in Anhörungen vor den zuständigen Parlamentsausschüssen beweisen (vgl. dazu EiÜ 36/24, 37/24, 38/24, 39/24). Ursula von der Leyen kündigte in ihrer Rede anlässlich der Bestätigung als erste Initiative einen „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ an, um Europas Innovationslücke gegenüber den USA und China zu schließen. Zudem werden Prioritäten die Stärkung von Sicherheit, Wohlstand und Unabhängigkeit und die weitere Dekarbonisierung. Die neue EU-Kommission wird ihre Arbeit am 1. Dezember 2024 aufnehmen.
Konvention zum Schutz der Anwaltschaft – Europarat
Die Europäische Konvention zum Schutz der anwaltlichen Berufsausübung (European Convention for the Protection of the Profession of Lawyers) hat am 19. November 2024 eine entscheidende Hürde zu ihrer Annahme überwunden. Der Ausschuss für rechtliche Zusammenarbeit des Europarates CDCJ hat den Text bei seiner 103. Plenarsitzung einstimmig angenommen. Die Konvention, die der DAV zusammen mit dem CCBE von Beginn an eng begleitet hat, wird als erstes rechtsverbindliches Instrument wesentliche Rechte der ungehinderten Berufsausübung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte einschließlich der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant festschreiben (vgl. bereits EiÜ 21/23). Final angenommen werden muss die Konvention durch das Ministerkomitee, was für Mitte Mai 2025 geplant ist.
Eine von drei Frauen erlebt Gewalt in der EU – Eurostat/FRA/EIGE
Am 25. November 2024 wurden die Ergebnisse einer EU-weiten Umfrage zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen veröffentlicht (hier auf Englisch abrufbar), vgl. PM. Eurostat, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) und das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) präsentieren Ergebnisse von 114.023 befragten Frauen zwischen 18 und 74 Jahren. Danach hat ein Drittel der Frauen Gewalt zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit erfahren, jede sechste Frau davon sexuelle Gewalt. Geahndet wird dies nur selten, nur jede fünfte Frau meldet derartige Vorfälle einer Gesundheits- oder Sozialeinrichtung und nur jede achte Frau wendet sich an Strafverfolgungsbehörden. Grund dafür sind Stigmatisierung, der Ausschluss aus dem sozialen Umfeld, mangelndes Vertrauen in Institutionen und erschwerter Zugang zur Justiz sowie Beweisprobleme in Aussage gegen Aussage-Situationen. Die Bekämpfung von geschlechterspezifischer Gewalt war Teil des Mission Letters von Ursula von der Leyen an die neue EU-Kommissarin für Gleichstellung, Hadja Lahbib, die in ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament für den internationalen Frauentag am 8. März 2025 eine neue europäische Gender Equality Strategy angekündigt hat.
Bekämpfung schädlicher Steuerregelungen und Steuervermeidung – EuRH
Die Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken durch die EU hat Lücken. Dies geht aus einem am 28. November 2024 veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Auf europäischer Ebene bestehen lediglich erste Abwehrmaßnahmen zum Schutz vor schädlicher Steuerregelung und Steuervermeidung von Unternehmen, da die direkte Besteuerung in den Kompetenzbereich der EU-Mitgliedsstaaten fällt. Zudem sind die EU-Regelungen aufgrund unterschiedlicher nationaler Auslegungen und fehlender gemeinsamer Vorgaben für die Leistungsüberwachung lückenhaft. Der Bericht benennt das Berufsgeheimnis für Rechtsanwält:innen und andere Berufsgruppen als eine der Ausnahmen, die Mitgliedsstaaten für eine Befreiung von Meldepflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen vorsehen (vgl. S. 32 des Berichts). Als Antwort auf diesen Bericht, der konkrete Empfehlungen an die EU-Kommission enthielt, kündigte die EU-Kommission Leitlinien an, um eine einheitliche Auslegung der EU-Rechtsakte zu garantieren und bestehende Gesetzgebung zu evaluieren (vgl. zuletzt DAV-SN Nr. 51/24 zur Evaluierung der Kommission des DAC-Rechtsrahmen). Wichtige EuGH-Rechtsprechung, wie das Urteil vom 29. Juli 2024 (Rs. C-623/22) zu Meldepflichten im Rahmen der DAC6-Richlinie, indem der Gerichthof das anwaltliche Mandatsverhältnis stärkte, sollen Teil der Leitlinien werden (vgl. dazu EiÜ 29/24).
Save The Date: Webinar zu EuGH-Vorabentscheidungsverfahren – ELF/CCBE
Am 2. Dezember 2024 veranstaltet die European Lawyers Foundation (ELF) gemeinsam mit dem Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE) ein Webinar (auf Englisch) zu Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (Programm hier abrufbar). Nach einem Überblick über das Vorabentscheidungsverfahren als solches, werden die jüngsten verfahrensrechtlichen Entwicklungen aufgezeigt. Anschließend folgen Vorträge über das effektive Verfassen von Vorabentscheidungsfragen sowie die Zuständigkeits- und Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof (zur kürzlich in Kraft getretenen Reform siehe EiÜ 33/24). Eine Registrierung für das kostenlose Webinar ist hier möglich.
Datenzugang zur Strafverfolgung: Bericht der „High Level Group“ – KOM
Am 15. November 2024 legte die „High-Level Group (HLG) für den wirksamen Zugang zu Daten für eine effektvive Strafverfolgung“ ihren Abschlussbericht (auf Englisch) vor, vgl. PM. Ziel ist, einen harmonisierten Ansatz zu entwickeln, der Strafverfolgungsbehörden den erforderlichen Zugang zu Daten und elektronischen Beweismitteln sicherstellt und den neuen Regelungsrahmen zu E-Evidence (dazu (EiÜ 29/23) fortentwickelt. Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten sollen beseitigt und sichergestellt werden, dass Ermittlungsbehörden auf kritische Kommunikationsdaten zugreifen können, ohne gegen Datenschutzgrundsätze zu verstoßen. Der Bericht, der Optionen zur Umsetzung der bereits veröffentlichten Empfehlungen aufzeigen soll, widmet eines seiner drei Kapitel der Datenspeicherung. Vorgeschlagen wird, Mindeststandards für die Speicherung von Kommunikationsmetadaten einzuführen, um zumindest eine Identifizierung von Personen zu ermöglichen (Empfehlungscluster 6). Auch sollen die Anbieter von Kommunikationsdiensten verpflichtet werden, Maßnahmen zur Sicherstellung des Datenzugriffs zu treffen. Eine stärkere Einbindung von Europol, insbesondere durch die Erweiterung der Kapazitäten der Europol-Dechiffrierplattform soll Mitgliedstaaten dabei unterstützen, verschlüsselte Daten zu entschlüsseln. Die EU-Kommission könnte nachfolgend auf Basis des Berichts 2025 eine Gesetzesinitiative vorlegen.
Softwarestreit: Erfüllungsort ist Einsatzort – EuGH
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 28. November 2024 in einem Vorabentscheidungsersuchen (Rs. C-526/23), dass bei einem internationalen Vertragsverhältnis über die Entwicklung und den Betrieb einer Software der Erfüllungsort dort liegt, wo die Software abgerufen und genutzt wird. In einer Rechtssache aus Österreich gegen eine deutsche Unternehmerin ging es um die Frage, welches Gericht für Zahlungsstreitigkeiten einer speziell angepassten Software zuständig ist. Die Software wurde zwar in Österreich programmiert, aber für den Einsatz in Deutschland entwickelt. Beide Parteien hatten keinen festen Erfüllungsort oder Gerichtsstand vereinbart. Nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen gilt der „Erfüllungsort“ bei Dienstleistungsverträgen als der Ort, an dem die Leistung erbracht wurde. Der EuGH stellte klar: Bei einem Softwarevertrag ist die charakteristische Verpflichtung, die Software dem Besteller bereitzustellen, damit dieser sie nutzen kann. Daher sei der Erfüllungsort der Ort, an dem die Software tatsächlich abgerufen und eingesetzt wird. Die Klarstellung zur Auslegung der Vorschrift dürfte zukünftig die Rechtsdurchsetzung erleichtern; der Sitz des Bestellers bietet einen recht klaren Anknüpfungspunkt.
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