Europa im Überblick, 42/17

Unionsrechtliche Vereinbarkeit von anwaltlichen Mindestgebühren – EuGH

Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 23. November 2017 (Rs. C‑427/16 und C‑428/16) erneut der Frage angenommen, ob anwaltliche Mindestgebühren mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Gegenstand des bulgarischen Ausgangsverfahrens war ein zwischen Rechtsanwalt und Mandant vereinbartes Honorar unter der Mindestgebühr nach der bulgarischen Gebührenverordnung, welche von dem durch bulgarische Rechtsanwälte gewählten „Obersten Rat der Anwaltschaft“ erlassen wurde. Der EuGH sieht jenen „Obersten Rat der Anwaltschaft“ als Unternehmensvereinigung im Sinne des Artikels 101 AEUV an, da die betreffende Gebührenregelung nicht der Prüfung gesetzlicher Gemeinwohlkriterien unterliege und dieser nicht als Repräsentanz öffentlicher Stellen auftrete. Zur konkreten Vereinbarkeit der fraglichen Gebührenregelung äußert sich der Gerichtshof nur begrenzt. Diese sei zwar grundsätzlich geeignet, den Binnenmarktwettbewerb zu beeinträchtigen, müsse konkret jedoch durch das vorlegende Gericht in Ansehung des Gesamtzusammenhangs geprüft werden, d.h., ob die durch die Regelung auferlegten Beschränkungen auf das begrenzt sind, was notwendig ist, um die Umsetzung legitimer Zwecke sicherzustellen. Demgegenüber sei eine nationale Regelung, mit der Justiziaren entsprechende Anwaltsgebühren zugesprochen werden, mit Artikel 101 AEUV und der anwaltlichen Dienstleistungsrichtlinie vereinbar. Als unvereinbar mit der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sieht das Gericht hingegen eine nationale Regelung an, die zur Folge hat, dass anwaltliche Honorare einer doppelten Mehrwertbesteuerung unterliegen.

Durchbruch beim Geoblocking – RAT/EP

In Zukunft wird es in der EU kein ungerechtfertigtes Geoblocking mehr im Internet geben. Das ist das Ergebnis der Trilogverhandlungen zwischen Rat, EU-Parlament und EU-Kommission zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission COM(2016) 289 über Maßnahmen gegen Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts (s. Pressemitteilung sowie EiÜ 17/17, 08/17, 39/16 und 27/16). Die Verordnung soll die Diskriminierung beim Zugang zu Preisen und Verkaufs- oder Zahlungsbedingungen verhindern, wenn Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erworben werden. Wie auch vom DAV in seinen Stellungnahmen 41/2016 und 10/2017 befürwortet, sollen urheberrechtlich geschützte Werke in unkörperlicher Form wie z.B. Streamingdienste, E-Books und Software zunächst vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein. Die EU-Kommission wird insbesondere diesen Aspekt nach Inkrafttreten der Verordnung prüfen und ggf. Änderungen vorschlagen. Die Einigung muss noch förmlich vom Rat und dem EU-Parlament angenommen werden. Danach wird die Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist sodann neun Monate später anzuwenden.

Besserer Austausch zwischen Mitgliedstaaten bei Mehrwertsteuerbetrug – KOM

Die EU möchte den Mehrwertsteuerbetrug effektiver bekämpfen. Zu diesem Zweck hat die EU-Kommission am 30. November 2017 den Vorschlag COM(2017) 706 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer veröffentlicht. Anlass hierfür sind u.a. die Enthüllungen der „Paradise Papers“, durch die auch Steuervermeidungsstrategien im Mehrwertsteuerbereich aufgedeckt wurden. Die Maßnahmen zielen auf einen verstärkten Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerbehörden und den verschiedenen EU-Strafverfolgungsbehörden wie OLAF, Europol oder der Europäischen Staatsanwaltschaft ab. Besonders schwere Verstöße gegen das Mehrwertsteuersystem sollen teilnehmende Mitgliedsstaaten direkt an die neu gegründete Europäische Staatsanwaltschaft melden. Das bereits bestehende EU- Expertennetzwerk für Betrugsbekämpfung „Eurofisc“ soll in Zukunft stärkeren Online-Austausch mit den Mitgliedsstaaten betreiben und mehr Informationen einfordern können. Darunter fallen z.B. Informationen über die Zulassungsdaten von Fahrzeugen, um Mehrwertsteuerbetrug beim Verkauf von als Gebrauchtwagen deklarierten Neuwagen zu verhindern. Der Vorschlag wird nun dem EU-Parlament zur Konsultation und dem Rat zur Annahme übermittelt.

Bericht zur Neufassung der Brüssel IIa-Verordnung angenommen – EP

Am 21. November 2017 wurde im Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments der Berichtsentwurf von Berichterstatter Tadeusz Zwiefka (EVP) über die Neufassung COM(2016) 411 der Brüssel IIa-Verordnung mit Änderungen angenommen (s. bereits EiÜ 22/1737/1623/16). Der Vorschlag bezweckt u.a. die zügigere Vollstreckung von Entscheidungen, z.B. durch die Abschaffung des Exequaturverfahrens. Das EU-Parlament stärkt in seinem Bericht die Berücksichtigung des Kindeswohls im Rahmen des Verfahrens. So soll die Anhörung des Kindes unter Abwesenheit der Parteien durch den Richter oder speziell ausgebildeter Experten erfolgen und altersgerecht durchgeführt werden. Mindeststandards in Bezug auf die Anhörung des Kindes werden hingegen nicht geregelt. Nunmehr muss das Plenum des EU-Parlaments den angenommenen Bericht bestätigen.

Mehr Fortbildung im Recht des Geistigen Eigentums gefordert – KOM

Die EU-Kommission hat am 29. November 2017 mehrere Initiativen vorgestellt, durch die der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums gestärkt werden soll (s. Pressemitteilung). In der Mitteilung COM(2017) 707 stellt die EU-Kommission dar, welche Maßnahmen für ein ausgewogenes System zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums als Antwort auf die gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen von heute erforderlich sind. Hierzu gehören unter anderem die Verstärkung der juristischen Fortbildung in diesem Bereich sowie die Entwicklung von weiteren Instrumenten der alternativen Streitbeilegung. Durch den Leitfaden COM(2017) 708 über die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sollen Auslegungsfragen z.B. in Bezug auf deren Anwendungsbereich, die Entschädigung für verursachten Schaden oder die Erstattung von Prozesskosten geklärt werden. In dem Bericht SWD(2017)430 (nur auf Englisch verfügbar) werden die Wirkungsweise und positiven Erfahrungen mit dem Memorandum of Unterstanding über den Internethandel mit gefälschten Waren dargestellt. Außerdem erläutert die EU-Kommission in der Mitteilung COM(2017) 712, wie ein faires und ausgewogenes System für standardessentielle Patente geschaffen werden könnte.

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