Europa im Überblick, 42/19

EiÜ 42/19

G7-Kampagne und CCBE-Preis für iranische Anwältin Sotoudeh  – DAV

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat in Fortsetzung seines Engagements im Rahmen der G7 Initiative vom Sommer 2019 und in Vorbereitung des kommenden G7 Gipfels 2020 in den USA eine erneute gemeinsame Erklärung mit den Anwaltsorganisationen der G7-Staaten veröffentlicht, in der die sofortige Freilassung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh gefordert wird (vgl. auch PM). Sotoudeh war im Dezember 2018 in Abwesenheit und ohne Zugang zu einem von ihr gewählten gesetzlichen Vertreter u.a. wegen „Anstiftung zu Korruption und Prostitution", "offenem sündhaften Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch" und "Störung der öffentlichen Ordnung" zu 33 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verurteilt worden. Das aktuelle Statement wird begleitet von einer Social Media Kampagne. Unter dem Hashtag #1Minute4Nasrin sind alle aufgerufen, in kurzen Videos die Freilassung der Menschenrechtsanwältin zu fordern. Den Start machen die Anwaltschaften der G7-Staaten mit einem gemeinsamen Video. Am Donnerstag gab der Rat der Anwaltschaften der Europäischen Union (CCBE) bekannt, Nasrin Sotoudeh zudem den diesjährigen CCBE-Menschenrechtspreis  gemeinsam mit drei weiteren derzeit inhaftierten iranischen Anwälten – Abdolfattah Soltani, Mohammad Najafi und Amirsalar Davoudi zu verleihen.

Künstliche Intelligenz: Kommission plant neue Haftungsregeln – KOM

Das Haftungsregime im Bereich Künstlicher Intelligenz soll auf EU- und auf nationaler Ebene überarbeitet werden. Zu diesem Ergebnis kommt der von der EU-Kommission begrüßte und von einer Expertengruppe vorgelegte Bericht vom 21. November 2019 über die Haftung für Künstliche Intelligenz und andere aufkommende digitale Technologien. Der Bericht zeigt auf, dass nur die Haftung von Herstellern mangelhafter Produkte in Form der Produkthaftungsrichtlinie harmonisiert sei. Dies stelle jedoch nur einen kleinen Teil möglicher Haftungsfälle dar. Überwiegend seien Haftungsfragen auf nationaler Ebene geregelt. Im Sinne des Schutzes der durch Künstliche Intelligenz geschädigten Opfer seien Änderungen des Unionsrechts und der Regeln auf nationaler Ebene angezeigt. Unter den Vorschlägen der Expertengruppe sind etwa die Berücksichtigung der Kontrolle eines Akteurs über die digitale Technologie bei der Haftung, ein Haftungsgleichlauf für Personen, die sich Erfüllungsgehilfen und solchen, die sich Künstlicher Intelligenz bedienen, eine Haftpflichtversicherung für eine wirksamere Entschädigung von Opfern, eine Beweiserleichterung für den Nachweis eines Tatbestandsmerkmals sowie die Anerkennung des Datenverlusts als Schadensposition. Die Kommission hatte bereits im Dezember 2018 mit den Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Aktionsplan zur Förderung von Künstlicher Intelligenz vorgelegt (vgl. EiÜ 1/19) und will zum ethischen Umgang mit Künstlicher Intelligenz innerhalb der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit Maßnahmen vorschlagen.

Kollektiver Rechtsschutz für Verbraucher: Rat nimmt Position an – Rat

Am 28. November 2019 hat der Rat für Wettbewerbsfähigkeit die Position der EU-Mitgliedstaaten (derzeit nur in englischer Fassung) zum Richtlinienvorschlag COM(2018) 184 zur Europäischen Verbandsklage angenommen. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung im Rat enthalten. Die allgemeine Ausrichtung sieht eine Differenzierung von nationalen und grenzüberschreitenden Verbandsklagen vor und überlässt den Mitgliedsstaaten viele Spielräume bei der Ausgestaltung. Lediglich bei den grenzüberschreitenden Verbandsklagen sollen einheitlichen Kriterien zur Anwendung gelangen, was etwa die qualifizierten Einrichtungen betrifft bzw. die Beteiligungsmöglichkeit von Verbrauchern aus einem anderen EU-Mitgliedstaat. In seiner Stellungnahme Nr. 49/18 befürwortet der DAV die Herangehensweise für eine europäische Sammelklage, jedoch fordert der DAV unter anderem  die Beschränkung der Verbandsklagen auf Unterlassungs- und Feststellungsmaßnahmen. Das EU-Parlament hatte bereits im März 2019 seine Position bezogen (EiÜ 13/19), sodass nun die Trilogverhandlungen beginnen können.

EU-Vollstreckungstitel-Verordnung – von der EuGVVO überholt? – KOM

Die EU-Kommission hat die Bewertung der Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel (EVT) für den Zeitraum 2006-2019 geöffnet. Hiermit soll geprüft werden, ob die 2004 verabschiedete EVT-Verordnung 805/2004/EG funktioniert und noch notwendig ist (s. Bewertungsfahrplan). Der EVT wurde zur Erleichterung und Beschleunigung der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen, die unbestrittene Forderungen betreffen, eingeführt. Die EVT-Verordnung beseitigte langwierige und kostspielige Zwischenverfahren („Exequaturverfahren“) für einige Arten von zivil- und handelsrechtlichen Forderungen. Derweil schaffte die Neufassung der EuGVVO (Brüssel-Ia-Verordnung) das Exequaturverfahren für alle Zivil- und Handelssachen ab und sieht einen anderen Mechanismus für die Vollstreckung im Ausland vor. Hierunter muss ein ausländischer Titel unter den gleichen Bedingungen vollstreckt werden, wie ein Titel eines Gerichts des Mitgliedsstaates, in dem die Entscheidung vollstreckt wird. Daher soll nun geprüft werden, wie wirksam die EVT-Verordnung noch ist. Rückmeldungen sind bis zum 20.Dezember 2019 möglich.

Auskunftsrechte gegenüber Steuerverwaltung: Vortrag in Brüssel – DAV

Wie verteidige ich mich als Bürger und Anwalt, wenn Steuerverwaltungen verschiedener Länder untereinander sensible Daten teilen? Diese Frage behandelt Prof. Jacques Malherbe (em. Professor für Steuerrecht an den Universitäten Louvain und Paris) in einem Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Auskunftsrechte des Bürgers bei einem grenzüberschreitenden Austausch von Finanzdaten zwischen den nationalen Steuerverwaltungen“. Hierzu lädt der DAV Belgien anlässlich des diesjährigen Weihnachtsempfangs ein, der am 19. Dezember 2019 ab 18:00 Uhr im Büro Norton Rose Fulbright, Square de Meeûs 5-6, 1000 Brüssel stattfindet. Anmeldungen werden bis zum 6. Dezember 2019 unter info@dav-belgien.de entgegengenommen. Weitere Informationen zum DAV Belgien finden Sie hier.

Generalanwalt fordert völlig unabhängige Staatsanwaltschaften – EuGH

Die Justizbehörde, die einen Europäischen Haftbefehl erlässt, muss völlig unabhängig sein, darf keinen hierarchischen Bindungen unterliegen und keinen Weisungen unterworfen sein. Zudem muss auch bereits vor der Übergabe der gesuchten Person ein Rechtsbehelf gegen den Europäischen Haftbefehl im Ausstellungsstaat gegeben sein. Zu diesem Ergebnis kommt der Generalanwalt Sánchez-Bordona in seinen am 26. November 2019 vorgelegten Schlussanträgen (Rs. C-566/19 PPU / C-626/19 PPU / C-627/19 PPU, vgl. Pressemitteilung). So sei eine Staatsanwaltschaft nur dann als „ausstellende Justizbehörde“ nach dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl anzusehen, wenn sie weder Einzel- noch allgemeine Weisungen der Exekutive erhalte. Französische Staatsanwaltschaften erfüllten diese Voraussetzung nicht. Der Generalanwalt führte weiter aus, dass das Fehlen eines Rechtsbehelfs gegen den Europäischen Haftbefehl zu dessen Unwirksamkeit führe. Ein Rechtsbehelf gegen den nationalen Haftbefehl, auf dem der Europäische Haftbefehl beruhe, reiche für die Wirksamkeit nicht aus. Der Rechtsbehelf müsse bereits – außer wenn dadurch das Strafverfahren gefährdet wird – im Zeitpunkt der Ausstellung oder Bekanntgabe zur Verfügung stehen und nicht erst nach der tatsächlichen Übergabe des Betroffenen. Der Rechtsbehelf müsse zudem nicht nur im Fall eines Europäischen Haftbefehls zur Strafverfolgung, sondern auch dann bestehen, wenn er zur Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils erlassen werde.

EU-Kommission bestätigt: Justiz und Rechtsstaatlichkeit in einer Hand – EP

Drei Viertel aller EU-Parlamentarier stimmten am 26. November für die neue EU-Kommission unter der Leitung von Präsidentin Ursula von der Leyen, die damit nach der offiziellen Ernennung durch den Europäischen Rat am 1. Dezember 2019 ihre Arbeit aufnehmen kann. Der DAV begrüßt es, dass seine Forderung, Justiz und Rechtsstaatlichkeit in einem Portfolio zu verankern, Gehör gefunden hat. Mit Didier Reynders aus Belgien übernimmt ein ehemaliger Rechtsanwalt das Amt des Justizkommissars. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass die tragende Rolle der Anwaltschaft als Garantin des Rechtsstaats in dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, den der Kommissar nun aufsetzen wird, Berücksichtigung findet.

Neuer Europäischer Datenschutzbeauftragter Wiewiórowski gewählt – EP/RAT

Nach Anhörung der drei in die engere Wahl gekommenen Kandidaten wurde der Pole Wojciech Wiewiórowski am 26. November 2019 vom Ausschuss der Ständigen Vertreter im Rat und dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments zum neuen Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) gewählt. Er war zuvor stellvertretender EDSB und hatte seit dem Tode seines Vorgängers Giovanni Buttarelli im August 2019 die Rolle geschäftsführend übernommen. Der EDSB ist für die Einhaltung des Datenschutzes durch die EU-Institutionen zuständig und berät die EU-Kommission bzgl. neuen Gesetzesvorschlägen. Wiewiórowski nannte in seiner Anhörung insbesondere einen geeigneten Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz als künftige Herausforderung.

Die Fortschritte des Europäischen Gesellschaftsrechts – CCBE

Unter Teilnahme des belgischen Justizministers und Vize-Premierminister Koen Geens fand am 27. November 2019 die Konferenz des Rats der Anwaltschaften der EU (CCBE) zur Modernisierung des Europäischen Gesellschaftsrechts im Brüsseler Justizpalast statt. Rechtsanwalt Professor Hans-Jürgen Hellwig, Mitglied des CCBE-Gesellschaftsrechtsausschusses, betonte die wesentlichen Errungenschaften, die in kurzer Zeit im Europäischen Gesellschaftsrecht erreicht wurden. Nach vielen Umwegen habe eine neue Ära begonnen, in der die Harmonisierung nationaler Regelungen wieder im Mittelpunkt stehe. Die legislativen Erfolge wurden mit Blick auf das neue Gesellschaftsrechtspaket der EU dargestellt (EiÜ 41/19), welches das Gesellschaftsrecht an das digitale Zeitalter annähert. Vor dem Hintergrund der Agenda der neuen Kommission wurde auch die Zukunft des Europäischen Gesellschaftsrechts diskutiert. Das Ziel, den gesellschaftsrechtlichen Acquis erfolgreich in die Praxis umzusetzen, gilt als zentral. Projekte wie die Verknüpfung europäischer Handelsregister (BRIS) unterstützen den grenzüberschreitenden Austausch und Transparenz, jedoch bedürfe es weiterer Maßnahmen, so Maija Laurila, Referatsleiterin für Gesellschaftsrecht in der Generaldirektion Justiz und Verbraucher der EU-Kommission.

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