Europa im Überblick, 44/18

E-Evidence: Der Rat pusht, das Parlament bremst – Rat/EP

Der Rat der EU-Justizminister hat am 7. Dezember 2018 eine allgemeine Ausrichtung zur Verordnung über Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen COM(2018) 225 erzielt. Damit sollen elektronische Beweismittel sanktionsbewährt von Dienstanbietern in engen zeitlichen Grenzen eingeholt und gesichert werden können, unabhängig davon, wo sich die Daten befinden. Neben Deutschland stimmten jedoch sechs weitere Mitgliedstaaten wegen grundrechtlicher Bedenken gegen die allgemeine Ausrichtung des Rates. Positiv ist, dass in der Position des Rates ein – wenn auch beschränktes – Notifizierungsverfahren für die Anfrage von Inhaltsdaten vorgesehen ist, wonach die Anordnungsbehörde den betroffenen Vollstreckungsstaat über die Anordnung informieren und einbeziehen muss. Unter dem Maßstab der bisherigen strafrechtlichen Zusammenarbeit in der EU war dies auch eine wichtige Forderung des DAV (s. DAV-Stellungnahme Nr. 42/2018). Das EU-Parlament hat derweil die Erwartungen des Rates gedämpft, noch in dieser Legislaturperiode das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen. In einer Anhörung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments äußerten sich die Mitglieder des Ausschusses fraktionsübergreifend kritisch zum Kommissionsvorschlag. Die Berichterstatterin des EU-Parlaments, Birgit Sippel (S&D), griff diese Kritik (etwa zu Zweifeln an der Rechtsgrundlage und einem nicht ausgewogenen Rechtsschutzniveau) in einem ersten Arbeitsdokument auf.

Digitalisierung und Legal Tech: der Campus 2019 in Berlin – DAV

Legal Tech in großen und kleinen Kanzleistrukturen, Blockchain, Smart Contracts, Fake News, Gegenwart und Zukunft des vernetzten Autos  – diese und weitere für die Anwaltschaft zukunftsträchtigen Themen stehen im Fokus des am 31. Januar und 1. Februar 2019 vom DAV zusammen mit der Pariser Anwaltskammer veranstalteten Campus. Der Campus wurde von der Pariser Anwaltskammer ins Leben gerufen und wird seit 2013 auch in verschiedenen Partnerländern durchgeführt, 2019 zum ersten Mal in Deutschland, im dbb Forum Berlin. Auf dem Programm stehen auch Fragen zum deutsch-französischen Vertriebs- und Familienrecht, als klassische Themen der bilateralen Zusammenarbeit. Hierfür kommen die deutsche und französische Anwaltschaft, Justiz und Politik zu einem gemeinsamen Austausch zusammen. Auch die französische und die deutsche Justizministerin werden jeweils erwartet. Die Veranstaltung, für die Sie sich hier anmelden können, ist für die Pflichtfortbildung nach § 15 FAO grundsätzlich geeignet. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zum Programm finden Sie auch auf der deutsch-französischen Website.

Bestätigung: Einseitige Rücknahme der Brexit-Erklärung möglich – EuGH

Art. 50 EUV lässt eine einseitige Rücknahme der Austrittserklärung aus der Europäischen Union zu. Das stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 10. Dezember 2018 im Eilverfahren in der Rs. Wightman u.a. fest (C-621/18, bisher nur auf Englisch verfügbar) und folgte damit den Schlussanträgen des Generalanwalts Sánchez-Bordona (s. EiÜ 43/18). Der EuGH führte in seiner Begründung an, dass Art. 50 die Frage der Rücknahme nicht ausdrücklich regle. Nachdem aber die Austrittsentscheidung gem. Art. 50 Abs. 1 einseitig erfolge, sei der Entschluss, die Austrittserklärung zurückzunehmen als Ausdruck der Souveränität des Mitgliedstaats, ebenfalls einseitig vorzusehen. Die in Art. 50 Abs. 2 genannte „Absicht“ auszutreten sei an sich weder definitiv noch unwiderruflich. Es wäre zudem den Zielen der EU-Verträge eine immer engere Union zu verwirklichen inkonsistent, einem Mitgliedstaat die einseitige Rücknahme der Austrittserklärung zu verwehren, solange dies den nationalen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen entsprechend erfolge. Zu der von der EU-Kommission und vom Rat vorgebrachten politischen Missbrauchsgefahr wird im Urteil nicht Stellung genommen.

Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen beträgt bald ein Jahr – Rat

Die Rechtspraxis kann sich bereits auf eine Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen von mindestens einem Jahr einstellen. Das schlägt nach dem EU-Parlament nun auch der Rat in seiner allgemeinen Ausrichtung vom 7. Dezember 2018 zum Richtlinienvorschlag über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels COM(2017) 637 vor. In Aufhebung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie soll darüber hinaus nach Ansicht des Rates der Haftungszeitraum zwei Jahre betragen und Waren mit digitalen Elementen (z.B. intelligente Kühlschränke) sollen nur der Richtlinie zum Warenhandel unterfallen und nicht dem Richtlinienvorschlag zu digitalen Inhalten COM(2015) 634. In Bezug auf die Hierarchie der Abhilfemaßnahmen (Ersatz, Reparatur, Minderung, Vertragsbeendigung) soll die flexible Beibehaltung des Richtlinienvorschlages ohne strikte Hierarchie beibehalten werden. Der DAV begrüßt die Möglichkeit bei gebrauchten Waren vertraglich kürzere Haftungs- und Verjährungsfristen vereinbaren zu können. Gleichzeitig wäre jedoch verpflichtend eine Rügepflicht erforderlich gewesen, um den in dem Richtlinienvorschlag vorgesehenen ausgeprägten Verbraucherschutz abzuschwächen (s. DAV-Stellungnahme Nr. 1/2018). In diesem Dossier dürfte es genauso wie bei den digitalen Inhalten in den nun anstehenden Trilogverhandlungen bald zu einer Einigung kommen, da dem Rat bei seiner Kompromissfindung bereits die Position des EU-Parlaments vom Februar 2018 (s. EiÜ 8/18) bekannt war. Das EU-Parlament hat bereits für März 2019 die Annahme im Plenum vorgesehen.

Arbeitnehmerbeteiligung bei grenzüberschreitender Mobilität gestärkt – EP

Die Arbeitnehmer oder deren Vertreter sollen vor Abstimmung über einen Umwandlungsplan oder -bericht konsultiert werden und eine begründete Rückmeldung auf ihre Stellungnahme erhalten. Dafür hat sich der Rechtsausschuss (JURI) des EU-Parlaments am 6. Dezember 2018 in seinem Bericht (s. angenommene Kompromisse des Haupttextes; finaler Text noch nicht verfügbar) zum Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften (s. EiÜ 29/18) ausgesprochen. Anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen sollen die Behörden für die Prüfung des Formwechsels zuständig sein. Die unabhängigen Sachverständigen können allerdings hinzugezogen werden. Die Abgeordneten sprechen sich nicht nur dafür aus, dass bei dem Vorliegen einer künstlichen Gestaltung weiterhin der Formwechsel abgelehnt werden soll, sondern fordern darüber hinaus, dass im Zielmitgliedstaat eine ernsthafte wirtschaftliche Aktivität vorgenommen werden müsse. Der DAV begrüßt, dass das Barabfindungsrecht von Gesellschaftern, wie in der DAV-Stellungnahme Nr. 31/2018 befürwortet, auf Gesellschafter beschränkt wird, die dem Formwechsel ausdrücklich widersprechen. Erst wenn auch der Rat seine Verhandlungsposition angenommen hat, können die Trilogverhandlungen beginnen.

Berücksichtigung des Kindeswohls bei Brüssel IIa begrüßenswert – Rat

Nach fast zweieinhalb Jahren neigt sich mit der am 7. Dezember veröffentlichten allgemeinen Ausrichtung des Rates das Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung der Brüssel IIa-Verordnung COM(2016) 411 langsam dem Ende zu (s. EiÜ 23/16). Ebenso wie das zu dem Vorschlag angehörte EU-Parlament (s. EiÜ 4/18) befürwortet auch der Rat die vollständige Abschaffung des Exequaturverfahrens bei den Entscheidungen über die elterliche Verantwortung. Gründe für die Versagung der Anerkennung ohne Vollstreckbarkeitserklärung sollen z.B. die öffentliche Ordnung, eine fehlende wirksame Zustellung im Falle des Nichterscheinens oder die fehlende Gelegenheit der Anhörung für das Kind sein. Darüber hinaus ist der Rat der Ansicht, dass das Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats durchgeführt werden soll. Die vorgeschlagenen harmonisierten Gründe für die Aussetzung oder Ablehnung im Vollstreckungsmitgliedstaat sollen jedoch zu einer höheren Rechtssicherheit führen. Der DAV begrüßt die vom Rat vorgesehene Verpflichtung ein Kind im Verfahren anzuhören, hätte jedoch hierbei insgesamt harmonisierte Verfahrensstandards befürwortet. Wenn das Kind nicht angehört wird, kann grundsätzlich die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung verweigert werden. Darüber hinaus werden klarere Regelungen für die Kindesunterbringung in einem anderen Mitgliedstaat und Verfahrensfristen für die mit Kindesentführungsfällen befassten Gerichte vorgeschlagen.

Im Ausland tätige Rechtsanwälte können Altersvorsorge absetzen – EuGH

In Deutschland zugelassene, im EU-Ausland wohnhafte Rechtsanwälte können ihre Beiträge zur verpflichtenden Rentenversicherung von der deutschen Einkommenssteuer absetzen – nicht aber Beiträge zur freiwilligen Altersvorsorge. Dies entschied der EuGH mit Urteil vom 6. Dezember 2018 (Rs. C-480/17) in einem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln. Der Beschwerdeführer, ein deutscher Rechtsanwalt, ist in Belgien wohnhaft und in einer internationalen Kanzlei tätig. Aufgrund seiner Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland ist er Pflichtmitglied des anwaltlichen Versorgungswerks. Das Finanzamt Köln hatte abgelehnt, seine hierfür gezahlten Beiträge sowie weitere Beiträge zu einer privaten Altersvorsorge im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht in Deutschland als steuermindernde Sonderausgaben anzurechnen. Der EuGH urteilte nun, in Auslegung von Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit), dass eine gebietsfremde, in einem Mitgliedsstaat beschränkt steuerpflichtige Person beim Abzug von Beiträgen zur Altersvorsorge von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer gleichbehandelt werden muss wie eine gebietsansässige, unbeschränkt steuerpflichtige Person, sofern es sich um Pflichtbeiträge handelt. So seien die Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte Aufwendungen, die im Rahmen der Tätigkeit als Rechtsanwalt verursacht wurden und somit für ihre Ausübung notwendig waren. Anders verhalte sich dies bei Beiträgen zu einer freiwilligen oder privaten Altersvorsorge, da diese nicht im direkten Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt stünden.

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