EiÜ 44/2022
Spendenaufruf für European Lawyers in Lesvos – ELIL
2022 haben eine Rekordzahl von Menschen in der EU Schutz vor Krieg und Verfolgung gesucht – auch aufgrund des Krieges in der Ukraine. Doch weiterhin gibt es nicht genug Anwält:innen, um den dringenden Bedarf an Rechtsberatung zu decken. Darum ist das Engagement des Rechtsberatungsprojekts European Lawyers in Lesvos (ELIL) – das nun auch Rechtsberatung für Menschen aus der Ukraine in Polen anbietet – weiterhin von entscheidender Bedeutung. In diesem Jahr hat ELIL bereits über 4.000 Menschen in Griechenland und Polen geholfen. In einem Video gibt das Team einen Einblick in die wichtige Arbeit vor Ort. Unterstützen Sie ELIL mit Ihrer Weihnachtsspende: Bereits 25 Euro ermöglichen einer geflüchteten Person eine kostenlose und unabhängige Rechtsberatung durch ELILs qualifizierte Anwält:innen.
Sacharow-Preis 2022 an ukrainisches Volk verliehen – EP
Der Sacharow-Menschenrechtspreis des EU-Parlaments wurde in diesem Jahr dem ukrainischen Volk verliehen. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola würdigte die Opfer des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und den unter diesen Umständen bewiesenen Mut des ukrainischen Volkes. Sie sprach dabei nicht nur von einem Unabhängigkeitskrieg, sondern auch von einem „Krieg der Werte“ und sicherte der Ukraine auch künftig die Unterstützung Europas zu. Der ukrainische Präsident Selenskyj rief zu einer Schweigeminute auf und bat anschließend um Mithilfe, die von Russland begangenen Verbrechen zu verfolgen. Die Verleihung fand am 14. Dezember 2022 in Straßburg statt.
Richtlinie zur Mindestbesteuerung von Unternehmen beschlossen – Rat
Nach schwierigen Verhandlungen haben sich die Mitgliedsstaaten im Rat der EU am 13. Dezember 2022 auf einen Kompromiss über den Richtlinienentwurf zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der Union geeinigt. Nachdem der Rat diesen im schriftlichen Verfahren angenommen hat (vgl. Pressemitteilung) wurde die Richtlinie bereits am 22. Dezember 2022 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Richtlinie soll die Möglichkeit der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung verringern, indem für Unternehmen (in der Union ansässige Geschäftseinheiten, die einer multinationalen Unternehmensgruppe oder einer großen inländischen Gruppe angehören) mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. € ein Mindeststeuersatz von 15% eingeführt wird. Mit der Richtlinie wird auf europäischer Ebene die globale Initiative von G20 und OECD für mehr Steuergerechtigkeit umgesetzt. Die vom EU-Parlament geforderte Klausel zur Überprüfung der jährlichen Einkommensschwelle (vgl. EiÜ 24/22; 16/22; 11/22) hat nicht Eingang in die Richtlinie gefunden. Die Zustimmung aller Mitglieder im Rat wurde nun durch einen Kompromiss mit Ungarn erreicht, das seine Blockadehaltung aufgab. Die Mitgliedsstaaten haben bis Ende 2023 Zeit, um die Richtlinie umzusetzen.
Gender Pay Gap: Einigung zur Richtlinie erzielt – EP/Rat
Zwischen EU-Parlament und Rat der EU wurde am 15. Dezember 2022 eine Einigung bezüglich der Richtlinie zur Erreichung des gleichen Entgelts für Männer und Frauen erzielt, vgl. Pressemitteilung. Die im Vorschlag der EU-Kommission hierzu vorgesehenen Maßnahmen zur Lohntransparenz verpflichten Unternehmen dazu, Arbeitnehmer:innen auf Anfrage Informationen über die Arbeitsentgelte solcher Personen bereitzustellen, welche innerhalb des Unternehmens dieselbe oder eine gleichwertige Arbeit verrichten, vgl. EiÜ 13/22 und DAV-SN 41/21. Ebenfalls soll es gegenüber Arbeitsuchenden obligatorisch sein, vorab über die zu erwartende Gehaltsspanne aufzuklären, wohingegen eine Frage des Personalers nach dem aktuellen Gehalt nicht mehr zulässig ist. Arbeitgeber:innen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen wiederkehrende Berichte in Bezug auf ein bestehendes Lohngefälle zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern veröffentlichen. Sofern ein Lohngefälle von mindestens 5% festgestellt wurde, ist eine (neue) Entgeltbewertung vorzunehmen. Zur erleichterten Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen und Sanktionen, können Opfer fortan von Beweiserleichterungen profitieren. Als Nächstes hat noch eine förmliche Billigung der Einigung durch die Co-Gesetzgeber zu erfolgen.
Sicherheitsunion: Fortschrittsbericht und neue Gesetzesvorschläge – KOM
Die EU-Kommission hat am 14. Dezember 2022 ihren fünften Fortschrittsbericht über die Sicherheitsunion vorgelegt, flankiert von neuen Gesetzgebungsvorschlägen über die Nutzung von vorab übermittelten Fluggastdaten (API-Daten), zur Überarbeitung der Richtlinie zur Bekämpfung und Verhinderung von Menschenhandel sowie einen Aktionsplan über den illegalen Handel mit Kulturgütern. Nach den neuen API-Regeln (für die Kontrolle der Außengrenzen und Strafverfolgung, in Englisch) soll die Datenerhebung hinsichtlich des Datentyps, des Mittels zur Erhebung und der zuständigen Stelle für die Übertragung vereinheitlicht werden. Für bessere Kontrollen der Außengrenzen sollen auf allen Flügen in den Schengen-Raum API-Daten verpflichtend erhoben werden, wodurch Grenzübertritte verkürzt werden sollen. Für Strafverfolgungszwecke sollen API-Daten für alle Flüge in die und aus der EU sowie für ausgewählte Flüge innerhalb der EU erhoben werden. Nach dem Vorschlag der überarbeiteten Richtlinie gegen Menschenhandel sind nun u.a. auch Zwangsheirat und illegale Adoption als Form der Ausbeutung umfasst sowie Sanktionen für juristische Personen und die Strafbarkeit der wissentlichen Inanspruchnahme der von Opfern des Menschenhandels erbrachten Dienste.
Rechtsstaatlichkeitsmechanismus: EU macht ernst gegenüber Ungarn – Rat
Die EU hält EU-Gelder für Ungarn in Höhe von 6,3 Milliarden Euro zurück. Der Rat hat am 16. Dezember 2022 einen entsprechenden Durchführungsbeschlusses im Rahmen des sog. Konditionalitätsmechanismus verabschiedet, vgl. Pressemitteilung. Hierbei handelt es sich um einen Schutzmechanismus zum Schutz des Unionshaushalts vor Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, vgl. EiÜ 33/22; 14/22; 6/22. Der Beschluss sieht vor, dass EU-Haushaltsgelder in Höhe von insgesamt 6,3 Milliarden Euro vorerst nicht an Ungarn ausgezahlt werden sollen, bis das Land die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt hat, um die Gefahr der Veruntreuung und Unterschlagung der Gelder durch Korruption und unzulässige Auftragsvergaben im Land zu unterbinden. Zuvor hatten bereits das EU-Parlament als auch die EU-Kommission den Rat aufgefordert, aufgrund der anhaltenden Mängel in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung in Ungarn, 7,5 Milliarden Euro an eingefrorenen EU-Mitteln nicht auszuzahlen (vgl. EiÜ 40/22; 41/22). Dass nun ein Teil der Gelder dennoch ausgezahlt wird, begründet der Rat mit den Bemühungen Ungarns den Problemen Abhilfe zu leisten. Bis die von der ungarischen Regierung initiierten Abhilfemaßnahmen jedoch gänzlich umgesetzt wurden, könne eine Auszahlung der Gelder in voller Höhe nicht erfolgen.
Mögliche Auslieferung von EU-Bürgern an einen Drittstatt – EuGH
Der EuGH hat am 22.12.2022 ein Urteil (Rs. C‑237/21) zur Auslieferung von Unionsbürgern an einen Drittstaat gefällt. In dem Vorabentscheidungsersuchen des OLG München ging es um die Auslieferung eines kroatischen Staatsbürgers an Bosnien und Herzegowina, vgl. zu den Schlussanträgen bereits EiÜ 27/22. Es stellte sich hier die Frage, ob eine Auslieferung eine unzulässige Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bedeute, da das Grundgesetz die Auslieferung von deutschen Staatsangehörigen verbietet. Zu klären war, ob sich aus der bisherigen EuGH-Rechtsprechung (Rs. C-247/17) ergibt, dass der Schutz vor einer Auslieferung auch dann für andere EU-Bürger als die eigenen Staatsangehörigen gelten muss, wenn der ersuchte Staat nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen zur Auslieferung verpflichtet ist, da er den Begriff „Staatsangehörige“ gemäß Art. 6 Nr. 1 b des Übereinkommens dahin bestimmt hat, dass nur seine eigenen Staatsangehörigen davon erfasst werden. Der EuGH entschied nun, dass sich der ersuchte Mitgliedsstaat aktiv gegenüber dem Drittstaat um dessen Zustimmung zur Verbüßung der Haftstrafe im ersuchten Mitgliedstaat bemühen muss. Sollte die Zustimmung nicht erteilt werden, stünden Art. 18 und 21 AEUV der Auslieferung unter den genannten Umständen nicht entgegen, sofern es hierbei nicht zu einer Beeinträchtigung der Grundrechte der Charta der Europäischen Union komme.
Europa im Überblick macht Weihnachtspause – DAV
Mit dieser Ausgabe verabschieden wir uns in die Weihnachtspause. Die nächste Ausgabe von Europa im Überblick erscheint voraussichtlich in der zweiten Januarwoche. Wir wünschen allen Leser:innen frohe Weihnachten und bedanken uns für Ihr stetes Interesse an unseren anwaltsrelevanten Themen aus Brüssel!
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