EiÜ 01/2024
Gerechtere Unternehmensbesteuerung in der EU – KOM
Zum 1. Januar 2024 ist für große multinationale Unternehmen, die in EU-Mitgliedstaaten tätig sind, ein Mindeststeuersatz von 15 % eingeführt worden, vgl. PM. Mit Erlass der Richtlinie 2022/2523/EU setzt der EU-Gesetzgeber zentrale Elemente der internationalen Vereinbarungen zur zweiten Säule der sog. Zwei-Säulen-Lösung (in Englisch) der OECD um. Die darin enthaltenen Nachversteuerungsregelungen sollen eine globale effektive Mindestbesteuerung sicherstellen, schädlichem Steuerwettbewerb und ‚aggressiven Steuergestaltungen‘ entgegenwirken und zur Förderung der Steuergerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit beitragen (vgl. bereits EiÜ 44/22; 24/22). Insbesondere soll der Anreiz für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union gesenkt werden, ihre Gewinne in Niedrigsteuergebiete zu verlagern. Der deutsche Gesetzgeber setzte die Richtlinie durch Verabschiedung des neuen Mindeststeuergesetzes (MinStG) um.
Paket zur Verteidigung der Demokratie vorgestellt – KOM
Die EU-Kommission hat im Dezember 2023 ihr Paket zur Verteidigung der Demokratie vorgestellt, vgl. PM sowie die Mitteilung der EU-Kommission (in Englisch). So sind im Vorschlag für eine Richtlinie über die Transparenz der Interessenvertretung für Drittländer (in Englisch) bei Lobbykampagnen und ähnlichen Tätigkeiten bestimmte Transparenzanforderungen vorgesehen. Einrichtungen, die im Namen eines Drittlands die Interessenvertretung ausüben, sind verpflichtet, sich in einem Transparenzregister registrieren zu lassen und Aufzeichnungen über wesentliche Informationen oder Materialien für vier Jahre aufzubewahren. Aufsichtsbehörden können in hinreichend begründeten Fällen diese Aufzeichnungen anfordern. Bestimmte Daten werden vorbehaltlich begründeter Ausnahmen veröffentlicht. Im Vorfeld der diesjährigen Europawahl hat die EU-Kommission daneben die Empfehlung für inklusive und stabile Wahlverfahren in der Union sowie die Empfehlung zur Förderung der Mitwirkung und der wirksamen Beteiligung von Bürgerinnern und Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen abgegeben. Unter anderem werden die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, für einen angemessenen Schutz der Wahlinfrastruktur zu sorgen und bestehende Lücken beim Rechtsrahmen in Bezug auf Spenden zu schließen. Ebenso soll gewährleistet sein, dass Organisationen der Zivilgesellschaft vor Angriffen und kriminellen Handlungen bewahrt werden.
Einigung zur umstrittenen Asylrechtsreform – Rat/EP
Im Dezember 2023 haben sich die Co-Gesetzgeber nach langwierigen Trilogverhandlungen über das europäische Asyl- und Migrationspaket geeinigt, vgl. PM. Die Einigung betrifft die Verordnungen zum Asylverfahren, zum Screening an den Außengrenzen, zum Asyl- und Migrationsmanagementsystem, zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt sowie zur Erweiterung der Eurodac- Verordnung (vgl. bereits EiÜ 36/23; 33/23; 22/23; 15/23). Insbesondere wurde sich auf obligatorische Grenzverfahren an EU- Außengrenzen verständigt, sowie auf umfassende Kontrollen von Personen, die beim unerlaubten Überschreiten von EU Außengrenzen aufgegriffen werden. Den Mitgliedstaaten wird zudem ermöglicht, in Krisensituationen oder Fällen höherer Gewalt von den sonstigen Verfahrensgarantien abzuweichen und die Grenzverfahren auszuweiten. Insbesondere den in dem Paket vorgesehenen Grenzverfahren steht der DAV kritisch gegenüber. Eine Prüfung des Einzelfalls kann unter den Bedingungen an der Grenze und bei der vorgesehenen Verfahrenskürze kaum erfolgen. Der Zugang zu rechtlicher Beratung und damit der Zugang zum Recht ist damit für Asylsuchende nicht ausreichend gewahrt, vgl. auch DAV-Pressemitteilung 24/23. Der DAV hatte insbesondere auch die Verkürzung der Rechtsbehelfsvorschriften von Anfang an bemängelt, vgl. DAV-SN 8/21.
Einigung zur Richtlinie über Plattformarbeit – EP/Rat
Die Co-Gesetzgeber EU-Parlament und Rat haben am 13. Dezember 2023 eine vorläufige Einigung zum Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit erzielt, vgl. PM. Hinsichtlich der umstrittenen Regelung zur Bestimmung des Beschäftigungsstatus hat sich die Ratsposition mit der Einführung einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung über das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses durchgesetzt (vgl. EiÜ 24/23; 19/22; 05/23). Erfüllt eine digitale Plattform zwei der im noch unveröffentlichten Text gelisteten Kriterien, gilt sie als Arbeitgeber. Sie ist dann verpflichtet, die Arbeit in dem Staat anzumelden, in dem sie ausgeführt wird und den Behörden Informationen über die bei ihr beschäftigten Personen zur Verfügung zu stellen. Plattformbeschäftigten wird die Möglichkeit eingeräumt, ihre Daten von einer Plattform auf eine andere zu übertragen. Sie haben ein Unterrichtungsrecht hinsichtlich automatisierter Systeme und deren Funktionsweise, deren Entscheidungen sie auch anfechten können. Die Sicherstellung von Kommunikationskanälen zwischen Beschäftigten und deren Vertretern ebenso wie die Einräumung von Unterrichts- und Anhörungsrechten für Letztere sind aus Sicht des DAV zur Gewährleistung einer angemessenen Interessenvertretung zu begrüßen (s. DAV-SN 06/2022). Die nun gefundene Einigung muss noch durch die Co-Gesetzgeber förmlich bestätigt werden.
Neue EU-Transparenzvorschriften gegen Mehrwertsteuerbetrug – KOM
Zum 1. Januar 2024 sind neue Transparenzvorschriften zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug bei grenzüberschreitenden Zahlungen, in Kraft getreten, vgl. PM. Die Änderungsrichtlinie 2020/284/EU ergänzt dabei die ursprüngliche Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister. Ziel dieser neuen Maßnahme ist es, den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten die richtigen Instrumente an die Hand zu geben, um möglichen Mehrwertsteuerbetrug, insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr aufzudecken. Im Konkreten trifft Zahlungsdienstleister ab 1. April 2024 eine Berichterstattungspflicht, wenn ein Zahlungsempfänger während eines Kalenderquartals im Rahmen seiner Zahlungsdienste mehr als 25 grenzüberschreitende Zahlungen erhält. Mittels der europäischen Datenbank CESOP werden diese Informationen gespeichert, verglichen und anschließend den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt. Der nationale Gesetzgeber setzte die Richtlinie durch Einfügung des § 22g UStG um.
Rechtsfolgen bei unterlassener Kreditwürdigkeitsprüfung – EuGH
Der EuGH hat am 11. Januar 2023 ein Urteil zu den Rechtsfolgen einer unterlassenen Kreditwürdigkeitsprüfung durch den Kreditgeber gefällt, Rs. C-755/22. Danach ist die frühere Richtlinie über Verbraucherkredite 2008/48/EG dahin auszulegen, dass der Verstoß gegen diese Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit als Sanktionierung die Nichtigerklärung des Verbraucherkreditvertrags und den Verlust des Anspruchs auf Zahlung der vereinbarten Zinsen zulässt. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt wurde und der Verstoß keine nachteiligen Folgen für den Verbraucher hatte. Im Herbst 2023 wurde durch den europäischen Gesetzgeber die neue Verbraucherkreditrichtlinie angenommen, vgl. bereits EiÜ 20/23, die unter anderem erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Kreditwürdigkeit durch die Kreditgeber vorsieht.
Schadensersatzhaftung von Unionsorganen – EuGH
In seinem Urteil vom 11. Januar 2024 hat sich der EuGH zu den Voraussetzungen eines gegen die Union gerichteten Schadensersatzanspruches geäußert. Im Rahmen einer Schadensersatzklage war ein Staubsaugerhersteller gegen die Union wegen den aus der Nichtigkeit einer delegierten Verordnung folgenden Schäden vorgegangen. Das EuG hatte die Klage abgewiesen, siehe Rs. T-127/19. Hintergrund der Schadensersatzklage war die delegierte Verordnung (EU) Nr. 665/2013 der EU-Kommission, mit der eine Testmethode eingeführt wurde, um die Energieeffizienz von Staubsaugern mit leeren Testbeuteln zu messen. Da dieses Verfahren beutellose Staubsauger benachteiligte, erklärte das EuG diese im November 2018 für nichtig (Rs. T-544/13 RENV). Das Gericht erkannte keinen qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht durch die Kommission und somit keine Begründung einer außervertraglichen Haftung. Dies bestätigte der EuGH: Ein qualifizierter Verstoß liege nicht bereits durch die fälschlicherweise vorgenommene Ermessensausübung hinsichtlich der Umsetzung der Testmethode vor. Gesichtspunkte bei der Prüfung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes seien auch die Schwierigkeit bei der Anwendung oder Auslegung der Vorschriften, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Norm sowie die Frage der Vorsätzlichkeit oder Unentschuldbarkeit des begangenen Fehlers. Im vorliegenden Fall beruhe die Ermessensausübung auf einem Rechtsirrtum, der angesichts der technischen Komplexität zu entschuldigen sei. Das Schadensersatzbegehren scheitert damit endgültig.
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