Europa im Überblick, 45/18

Rechtsbehelfe in Rückführungsrichtlinie sind unzureichend – DAV  

Ungenügende Rechtsbehelfe und zu weit gefasste Haftgründe – so lauten die Hauptkritikpunkte des DAV am Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger COM(2018) 634. Der DAV hebt in seiner Stellungnahme Nr. 61/2018 hervor, dass die erhebliche Ausweitung der Kriterien für das Vorliegen einer Fluchtgefahr als Haftgrund in Art. 6 unverhältnismäßig und z.T. nicht EMRK-konform ist. Zwar ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Art. 16 vorsieht, dass Rechtsbehelfe ausschließlich durch eine Justizbehörde zu bescheiden sind. Allerdings genügen die dort vorgesehenen Regeln nicht durchweg den Ansprüchen an einen wirksamen Rechtsbehelf. Die Frist von fünf Tagen für einen Rechtsbehelf in Art. 16 Abs. 4 (Rückkehrentscheidung gemeinsam mit einer bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags) ist zudem zu kurz gefasst. Die Regeln zur aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs bedürfen ebenfalls der Klarstellung. Der Richtlinienentwurf war am 12. September 2018 von der EU-Kommission vorgelegt worden (s. EiÜ 32/18), die Arbeiten in Rat und EU-Parlament hierzu befinden sich noch im Anfangsstadium. 

Einstweilige Anordnung gegen polnische Justizreform bestätigt – EuGH

Auch nach Anhörung der polnischen Regierung bleibt der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei seiner einstweiligen Anordnung, die Reform der Pensionsalter für Richter am polnischen Obersten Gericht umgehend auszusetzen. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2017 (Rs. C-619/18, bisher nur auf Französisch verfügbar) gab der EuGH damit dem Antrag der EU-Kommission auf Anordnung vorläufigen Rechtsschutzes statt und bestätigte seinen vorläufigen Beschluss vom 19. Oktober 2018 (s. EiÜ 37/18). Der EuGH bleibt auch unter Berücksichtigung der polnischen Position der Ansicht, dass die Anordnung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sei als auch die Dringlichkeit gegeben sei. In der Begründung hob der EuGH besonders hervor, dass die Anwendung der streitigen nationalen Vorschriften bis zum Urteil im Vertragsverletzungsverfahren einen schweren, irreparablen Schaden anrichten könne, da sie die Unabhängigkeit der Justiz gefährde. Dies habe sowohl Konsequenzen auf nationaler Ebene, aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidungen des Obersten Gerichts, als auch im Kontext der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der EU.

Neues Verfahren zur Restrukturierung von Unternehmen – Rat/EP

Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, sollen eine zweite Chance erhalten. Der Rat und das EU-Parlament erzielten Mitte Dezember 2018 eine Einigung über den Richtlinienvorschlag über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren (s. Pressemitteilung des Rates, derzeit nur in englischer Sprache). Der Zugang zum Restrukturierungsverfahren ist gemäß des Artikels 4 neben der Wahrscheinlichkeit der Insolvenz an weitere einzelne Voraussetzungen geknüpft. Den Mitgliedstaaten steht es frei, als zusätzliche Absicherung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung („viability test“) einzuführen. Das Moratorium zur Erzielung einer Einigung mit den Gläubigern soll auf max. vier Monate beschränkt und kann allenfalls auf zwölf Monate erweitert werden. Bei dem während der Trilogverhandlungen besonders strittigen Punkt der Arbeitnehmerrechte ist nun klargestellt, dass diese nach dem nationalen und unionsweiten Arbeitsrecht durch das präventive Restrukturierungsverfahren nicht beeinträchtigt werden dürfen und ein Zugang zu Informationen für Arbeitnehmer sichergestellt ist (s. EiÜ 35/18).

Cyberkriminalität: Besserer Schutz vor Betrug bei bargeldlosen Zahlungen – Rat/EP

Die Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln soll verschärft werden. Am 11. Dezember 2018 erzielten das EU-Parlament und der Rat eine politische Einigung (derzeit nur in englischer Sprache) über den entsprechenden Kommissionsvorschlag COM(2017) 489 (s. EiÜ 30/18). Auf Betreiben des EU-Parlaments ist in der Richtlinie ein besserer Opferschutz berücksichtigt, wonach Opfer von Betrug besseren Zugang zu Informationen, Beratung und Unterstützung erhalten sollen. Der DAV hat sich hierzu in seiner Stellungnahme Nr. 12/2018 geäußert und insbesondere die Ausweitung der Straftatbestände im Hinblick auf die Versuchsstrafbarkeit kritisiert.

Fortschritt bei Reform des EU-Asylsystems gefordert – KOM

Die EU-Kommission fordert den Rat und das EU-Parlament auf, endlich Fortschritte bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu erzielen. Zu diesem Zweck schlägt sie in ihrem am 4. Dezember 2018 veröffentlichten Fortschrittsbericht zur Migrationsagenda vor, die Vorschläge zur GEAS-Reform, zu denen u.a. die Reform der Dublin-Verordnung gehört (s. EiÜ 17/16, 25/16), nicht mehr als Paket zu behandeln, sondern getrennt. Bei fünf der sieben Vorschläge sieht sie eine politische Einigung bereits in Reichweite und fordert eine Annahme bis zu den Europawahlen. Dabei handelt es sich u.a. um die Vorschläge zum Neuansiedlungsrahmen, zu den Aufnahmebedingungen und zur Asylanerkennung. Problematisch bleiben hingegen die zentralen Reformvorschläge zur Asylverfahrensverordnung und zur Dublin-IV Verordnung. Auf Seiten des Rats muss hier immer noch ein Kompromiss zwischen Solidarität und Verantwortung bei der Aufnahme Asylsuchender gefunden werden. Die EU-Kommission regt hierzu an, auf ad-hoc Lösungen zu setzen, bis die Reform des Dublin-Systems angenommen wird. Der Fortschrittsbericht stellt darüber hinaus die neusten Daten zu Migrationsströmen, Neuansiedlungen und Rückführungen vor. EU-Parlament und Rat haben sich noch nicht zu dem neuen Ansatz der EU-Kommission geäußert.

E-Justiz: Digitalisierung und Informationszugang im Fokus – Rat

Verbesserter Zugang zu Informationen im Bereich Justiz, weitere Digitalisierung (außer-)gerichtlicher Verfahren und verbesserte Vernetzung und Interoperabilität: Das sind die Kernziele der am 6. Dezember 2018 vom Rat angenommenen Strategie für die E-Justiz für den Zeitraum 2019-2023 und des dazugehörigen Aktionsplans. Die insgesamt 26 Projekte, die von EU-Kommission, Mitgliedsstaaten und dem Amt für Veröffentlichungen umgesetzt werden sollen, befassen sich u.a. mit der Verbesserung des EU-Justiz Portals und von EUR-Lex, der elektronischen Zahlungen von Gerichtsgebühren oder der Nutzung von Blockchain für die Justiz. Der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) ist ebenfalls in zwei Projekten als Partner eingebunden: In einem Projekt zur künstlichen Intelligenz (KI) im Justizbereich soll er einen Leitfaden zur Nutzung von KI durch Anwälte in der EU erarbeiten. Als Projektleiter (gemeinsam mit der EU-Kommission) wird der CCBE im Projekt „Find a Lawyer II“ das Projekt zur Schaffung eines EU-weiten Systems zur Prüfung des Status eines Rechtsanwalts vorantreiben, was auch auf der E-Justiz Plattform der EU implementiert werden soll.

Neue Leitfäden zu Verbraucherverträgen und Unterhaltssachen – KOM

Zwei neue Leitfäden zur Anwendung des EU-Rechts für Angehörige der Rechtsberufe stehen ab sofort auf dem E-Justiz Portal der EU-Kommission zu Verfügung. Der erste Leitfaden befasst sich mit der Anwendung der Verordnung EG 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. Darin werden Erläuterungen zu den Formblättern im Anhang der Verordnung für verschiedene Vorgänge vor Gericht gegeben. Der zweite Leitfaden liefert praktische Leitlinien zu internationalen Verbraucherverträgen. Er beantwortet eine Reihe praktischer Frage zur gerichtlichen Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht. Die Leitfäden werden im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen zur Verfügung gestellt und sollen der effizienteren Anwendung des Unionsrechts dienen.  

Frohe Festtage – DAV

Mit dieser Ausgabe erhalten Sie die letzte EiÜ für das Jahr 2018. Die DAV-Geschäftsstelle Brüssel wünscht Ihnen allen frohe und besinnliche Festtage sowie einen guten Auftakt in ein neues und erfolgreiches Jahr 2019. Die nächste EiÜ erhalten Sie voraussichtlich in der ersten Januarwoche.

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