Berlin/Brüssel (DAV). Die Unabhängigkeit der Justiz und die Digitalisierung der Justizsysteme stehen im Mittelpunkt des diesjährigen EU-Justizbarometers, das gestern veröffentlicht wurde. In fast der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten wurde die Unabhängigkeit der Justiz schlechter wahrgenommen als im Vorjahr. Im Bereich der Digitalisierung der Justiz zeigt sich, dass Deutschland Nachholbedarf hat, insbesondere bei Strafverfahren. Neu aufgenommen in das Justizbarometer wurde – auch aufgrund des Engagements des Deutschen Anwaltvereins (DAV) – ein Indikator zur Unabhängigkeit der Anwaltschaft.
Ein Schwerpunkt des EU-Justizbarometers ist die Unabhängigkeit der Justiz. In fast der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten wurde die Unabhängigkeit der Justiz schlechter wahrgenommen als im Vorjahr – als häufigster Grund wurden Einmischung beziehungsweise Druck durch Regierung und Politik genannt. Das Justizbarometer 2021 enthält einige neue Indikatoren zur Unabhängigkeit der obersten nationalen Gerichte, zur Autonomie von Strafverfolgungsbehörden sowie der Unabhängigkeit von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten und den Anwaltskammern. Für Letzteres hatten sich der DAV und der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) stark gemacht.
„Die Aufnahme der Unabhängigkeit der Anwaltschaft als Indikator im Justizbarometer ist ein wichtiges Zeichen, denn zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in einer Demokratie spielt eine unabhängige Anwaltschaft eine entscheidende Rolle“, betont DAV-Präsidentin Edith Kindermann. „Die Tatsache, dass in fast der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten die Justiz vor allem aufgrund politischer Einflussnahme als nicht unabhängig wahrgenommen wird, erfüllt mich aber auch mit Sorge. Hier sind weitere Anstrengungen aller notwendig, um diesen Entwicklungen entgegenzutreten.“
Vor dem Hintergrund der andauernden Covid-19-Pandemie liefert das Justizbarometer 2021 auch erstmals eine Bestandaufnahme, wie weit die Digitalisierung der Justiz in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vorangeschritten ist. Die EU-Kommission sieht in vielen Bereichen noch mehr Potenzial. In Deutschland gebe es vor allem Nachholbedarf bei der Nutzung digitaler Technologien im Strafverfahren. Beim Online-Zugang der Öffentlichkeit zu veröffentlichten Urteilen erreicht Deutschland auch nur einen Mittelwert. Hier sieht die Kommission aber auch insgesamt bei allen EU-Mitgliedstaaten keinen Fortschritt gegenüber den Vorjahren.
Das von der Europäischen Kommission herausgegebene Justizbarometer liefert einen jährlichen Überblick über die Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in den EU-Mitgliedstaaten. Die Ergebnisse des Justizbarometers werden auch in den jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht einfließen, der am 20. Juli 2021 veröffentlicht wird.
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