Berlin (DAV). Im Rahmen der Justizministerkonferenz (JuMiKo) steht die umstrittene Reform des § 184b Strafgesetzbuch (StGB) auf dem Prüfstand. Seit 2020 ist bei „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ zwingend auf Freiheitsstrafe zu erkennen – ohne die Möglichkeit, einen minder schweren Fall anzunehmen oder den Vorwurf einzustellen. Dies nimmt der Justiz nicht nur die Flexibilität, sachgerechte Strafen am unteren Rahmen zu verhängen, sondern führt zu einer Überlastung. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte bereits im Gesetzgebungsverfahren die Verschärfung kritisiert – und begrüßt daher die kritische Wiedervorlage der JuMiKo.
Der DAV unterstützt ausdrücklich das Ziel, den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt zu verbessern. Strafverschärfungen schützen Kinder jedoch nicht. Die Verschärfung des § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte) zu einem Verbrechenstatbestand ohne minder schweren Fall hat am falschen Punkt angesetzt – und stellt nun die Justiz vor (auch vom DAV vorhergesagte) Probleme.
„Aus Sicht des DAV wäre es ein dringender, zu begrüßender Schritt, nicht nur im Rahmen des § 184b StGB die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen, also den Verbrechens- wieder zu einem Vergehenstatbestand umzuändern“, mahnt Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des DAV. „Auch insgesamt ist im 13. Abschnitt die Wiedereinführung minder schwerer Fälle zu prüfen und der Grundtatbestand des § 176 StGB ebenfalls wieder als Vergehen auszugestalten.“
Flexibilität von unten beschnitten
„Sehenden Auges wurden mit der Erhöhung der Mindeststrafrahmen die Reaktionsmöglichkeiten und Spielräume der Staatsanwaltschaften und Gerichte eingeschränkt“, so Lederer. Der DAV hatte bereits im Rahmen des Gesetzgebungsvorhabens 2020 dringend von der Aufstufung zu Verbrechen abgeraten – auch im Rahmen des § 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern). Auch die Abschaffung minder schwerer Fälle in vielen Tatbeständen sah der DAV mit Sorge.
Die Praxis offenbart seither genau die befürchteten Konsequenzen: „Die Flexibilität wurde eingebüßt. Nicht nur die Strafverteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte stehen derzeit oft vor unlösbaren Hürden, wenn es darum geht, einzelfallgerechte, sachgerechte Strafen am unteren Rahmen anzusetzen“, weiß die Strafverteidigerin zu berichten.
Hard cases make bad law
Medial bekannt gewordene Fälle wie der einer besorgten Weiterleitung im Eltern-Chat oder der einer Beweissicherung einer ehemals selbst Geschädigten zeigen: Es gibt nicht den einen Standard-Fall, der zwingend eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen muss. Strafrechtliche Debatten leiden oft unter Emotionalisierung. Strafverschärfungen können politisch gewünscht und moralisch nobel sein – zielführend sind sie selten. Auch hier fehlte es an einer rationalen Rechtfertigung für die Erhöhung der Mindeststrafen, etwa anhand von empirischen und kriminologischen Nachweisen. Zu behaupten, es könne keinen minder schweren Fall von Kindesmissbrauch oder Kinderpornografie geben, verkennt die reale Vielfalt der Fallkonstellationen.
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