Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert die aktuellen Überlegungen des Freistaats Bayern im Rahmen der Justizministerkonferenz (JuMiKo), Rechtsschutzversicherern (RSV) die außergerichtliche Beratung und Vertretung zu ermöglichen. Dies hat der DAV bereits mit Schreiben an Bundes- und Landesjustizministerien deutlich gemacht. Durch ihre Unabhängigkeit und strengen berufsrechtlichen Anforderungen ist die Anwaltschaft entscheidender Baustein für den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht. Bei Rechtsberatung durch Versicherer sind Interessenkonflikte vorprogrammiert – zum Nachteil der Betroffenen. Notwendig bei solchen Vorhaben ist eine enge Abstimmung mit der Anwaltschaft.
„Rechtsschutzversicherer dürfen nicht zu ‚Gatekeepern‘ der Gerichte gemacht werden. Ihre Aufgabe ist die Kostenübernahme, nicht die Rechtsberatung“, erklärt Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. Eine Vermischung von wirtschaftlichen Interessen der Versicherer mit den Rechtsinteressen der Versicherten gefährde die unabhängige Rechtsvertretung. Die Betroffenen benötigten eine Rechtsberatung, die allein ihre Interessen im Blick hat. Der Bundesgerichtshof (20.02.1961 – II ZR 139/59) habe bereits klargestellt, dass die Rolle des Versicherers nicht mit einer objektiven, ausschließlich am Mandanteninteresse orientierten Beratung vereinbar ist.
Verbraucherschutz durch Rechtsberatung durch Anwaltschaft
Schon heute existiert ein asymmetrischer Markt, in dem anwaltliche und nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister unter ungleichen Bedingungen konkurrieren – was der DAV mit Blick auf das unionsrechtlichen Kohärenzerfordernis bereits kritisiert hat. „Eine weitere Öffnung wäre nicht mit den hohen berufsrechtlichen Anforderungen vereinbar, die die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege erfüllen muss, um den Interessen ihrer Mandantschaft zu dienen“, betont von Raumer. Das deutsche Rechtsberatungsmonopol ist vom Europarecht bestätigt; es dient dem Verbraucherschutz und stärkt das Vertrauen in den Rechtsstaat.
Interessenkonflikte bei RSV vorprogrammiert
Wie entscheidend etwa der Aspekt der Unabhängigkeit ist, zeigt sich an einem einfachen Beispiel, wie Rechtsanwalt Dr. Fabian Widder, DAV-Vizepräsident und Vorsitzender des DAV-Ausschusses Rechtsdienstleistungsrecht, erläutert: „Versicherungsunternehmen könnten in der gleichen Angelegenheit beide Beteiligte eines Rechtsstreits vertreten, wenn beide bei ihm versichert sind. Das Ergebnis ist dann im Zweifel das beste für den Versicherer, nicht aber für die Betroffenen.“
Das Geschäftsmodell von Versicherungsunternehmen ist es, Kosten zu vermeiden. Zu befürchten ist daher, dass Rechtsuchende vermehrt zu Vergleichen gedrängt werden – günstig für die RSV – um gerichtliche Verfahren zu vermeiden. „Aber ist es auch für den konkreten Betroffenen im konkreten Fall die beste Lösung? Und haftet die Versicherung, wenn nicht? Oder wenn andere Beratungsfehler vorliegen? Das ist Sparpolitik auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger“, mahnt Widder.
DAV-Appell an Bund und Länder
Um seiner Sorge Ausdruck zu verleihen, hat sich der DAV bereits mit Schreiben an die Justiziminister:innen der Länder sowie die Bundesjustizministerin gewandt.
„Wir appellieren eindringlich an die Länder, die grundlegenden Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu bedenken. Daher ist es wichtig, zunächst mit der Anwaltschaft ins Gespräch zu kommen, bevor ein solches Vorhaben auf den Weg gebracht wird“, mahnt DAV-Präsident von Raumer. Der DAV sei dazu bisher nicht angesprochen worden. Zur Bewältigung aktueller Herausforderungen der Justiz, vor allem zivilrechtlicher Massenverfahren, gebe es bereits zahlreiche Vorschläge der Reformkommission zum Zivilprozess der Zukunft – „keiner dieser Vorschläge sieht die Öffnung für Rechtsschutzversicherer vor.“
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