Berlin/Luxemburg (DAV). Im Rahmen des achten EU-Sanktionspakets gegen Russland hatte der Rat der EU ein Rechtsberatungsverbot formuliert. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte dies als Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit und als Aufspaltung anwaltlicher Tätigkeit mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit kritisiert. Das Europäische Gericht (EuG) hat heute drei Klagen seitens diverser Anwaltskammern abgewiesen. Nach Auffassung des DAV muss die zugrundeliegende Regelung geändert werden!
Das Europäische Gericht (EuG) hat heute entschieden, dass das Rechtsberatungsverbot im Zuge des achten EU-Sanktionspakets rechtmäßig ist. Der Anwaltschaft in der EU ist es seit zwei Jahren untersagt, russische Unternehmen und Einrichtungen rechtlich zu beraten. Der DAV hatte dies von Anfang an scharf kritisiert.
Aus Sicht des DAV ist es nicht akzeptabel, dass der Zugang zu anwaltlichem Beistand eingeschränkt wird: „Es ist eine Errungenschaft des Rechtsstaates, dass der Zugang zum Recht über die Anwaltschaft allen offensteht“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Vizepräsident des DAV. Der Zugang zum Recht müsse für jedermann gewährleistet bleiben. Die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines Mandats sei allein durch den Anwalt oder die Anwältin zu fällen. „Dieser Grundsatz wird durch den Rat der EU beschnitten“, so von Raumer weiter.
Die Abgrenzung zwischen erlaubter Rechtsvertretung (etwa in Gerichts- oder Schiedsverfahren) und verbotener Rechtsberatung (etwa in Vertragsverhandlungen) kann in der Praxis schwierig sein: „Oft lässt sich nicht sicher bestimmen, ob die anwaltliche Beratung zulässig ist, etwa weil sie der Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens dient, oder ob sie unzulässig ist. Die Bereiche Rechtsberatung und Rechtsvertretung sind so gesehen nicht scharf trennbar. Da ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsverbot aber erhebliche Konsequenzen für jeden Anwalt hat, besteht die Gefahr, dass sich Anwälte aus Sicherheitsgründen gegen jede Vertretung eines russischen Unternehmens entscheiden“, erläutert der DAV-Vizepräsident. „Damit kann in der Praxis das Verbot auch den Zugang zum Gerichtsverfahren mit anwaltlicher Vertretung beeinträchtigen, den es wegen dessen besonderer rechtsstaatlicher Bedeutung aber gar nicht betreffen sollte und durfte.“
Aber auch die dahinterstehende Botschaft ist problematisch: „Der Rat hat die anwaltliche Tätigkeit in die zwei Sphären Vertretung und Beratung geteilt, wobei letztere offenkundig als deutlich weniger schutzwürdig eingestuft wird“, so von Raumer. „Eine anwaltliche Tätigkeit zweiter Klasse gibt es nicht.“
Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen, wie der DAV mehrfach betont hat. „Das aber zum Anlass zu nehmen, den Zugang zum Recht zu schwächen, ist ein falsches Signal und schadet der Rechtsstaatlichkeit“, mahnt der Rechtsanwalt. Damit verkenne der Rat die Rolle der Anwaltschaft als Teil des Systems zur Problemlösung. Der Rat sei gefordert, diese Regelung zu ändern.
Dem Verfahren lagen drei Nichtigkeitsklagen u.a. durch die Niederländische Anwaltskammer Brüssel (die auch durch die Bundesrechtsanwaltskammer unterstützt wurde), die Anwaltskammer Paris und die Vereinigung Avocats Ensemble zugrunde. Das EuG hat die drei Klagen abgewiesen. Offen steht derzeit noch, ob die Kläger den EuGH in zweiter Instanz anrufen.
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